Dieser Beitrag ist vor zwei Jahren schon einmal erschienen. Dass er nun noch einmal publiziert wird, hängt damit zusammen, dass der Pub wieder geschlossen ist. Man kann von einem unrühmlichen Ende sprechen, aber darum geht es hier nicht. Es geht darum, dass es einen Unterschied macht, ob man bedeutend ist entsprechend handelt oder man nur glaubt von Bedeutung zu sein. Wenn Glauben nämlich ausreicht, kann das Handeln ja ausbleiben. Und genau das erleben wir gerade.

Und ewig grüßt das Murmeltier

Nun ist es wieder leer, das Friedrichstädter Pub am Markt. Das Ganze erinnert an eine Sequenz von Matrix, als Neo ein Déjà-vu erlebt. Im Film ist dies ein Zeichen, dass irgendetwas nicht stimmt. Ein deutliches Warnsignal kurz vor der Katastrophe.

Auch die Friedrichstädter erleben mit der Schließung des Pubs gerade eine Art Déjà-vu. Und auch hier ist es ein klares Zeichen dafür, dass irgendetwas schiefläuft. Mehr noch: Wenn man genau hinschaut, ist es ein Symbol für den allgemeinen Zustand der Stadt:

  • Das Haus liegt an bester Lage. Die Kulisse stimmt. Aber hinter der Kulisse ist alles marode. So ist kein erfolgreiches Wirtschaften möglich.
  • Würde man als Hausbesitzer in die Lokalität investieren, würde man als Mieter effektiver wirtschaften können. Aber eigenes Geld investieren? Wo kommen wir denn da hin? Lieber verweist man auf die eigene Geschichte, zeigt auf die Fassade und hofft, dass irgend ein anderer die Zeche zahlt.
  • Das Friedrichstädter Pub war nie meins. Aber es war eine kleine Heimat, ein Treffpunkt für andere. Diesen Anderen wird in Friedrichstadt nichts geboten. Wohl weil sie weder den Segelclub noch der Blechbüchsenarmee angehören. Zu einer lebendigen Stadt gehören aber nicht nur die Mehrbesseren, sondern alle Bürger.
  • Statt in sinnlose und unwirtschaftliche Projekte in der Peripherie zu investieren, sollten sich die Damen und Herren der Stadtverordnetenversammlung besser darauf konzentrieren, den Kern der Stadt gesund und attraktiv zu halten. Mit dem Erhalt des Markenkerns kann man mehr erreichen. Aber darum geht es der Bürgermeisterin nicht. Sie will „groß denken“ und „Dinge erschaffen“. An mühseligen Gesprächen mit Hauseigentümern und Gewerbetreibenden ist sie eher weniger interessiert. Möglicherweise, weil es ihr zu anstrengend ist. Ich vermute allerdings eher, dass von solcher Hintergrundarbeit selten publikumswirksame Bilder geschossen werden…
Viel früher als gedacht zeigt sich, wer in der kommenden Saison ganz sicher nicht mehr an den Start gehen wird: Das Friedrichstädter Pub wird Ende März schließen und damit nicht nur optisch eine Lücke in am Markt hinterlassen. Mit dem Friedrichstädter Pub verliert die Stadt nämlich auch ein Angebot, welches sich nicht explizit an Touristen wendet, sondern in erster Linie ein Treffpunkt für Friedrichstädter und Menschen aus der Umgebung ist.

Goldgruben sehen anders aus

Das gibt es Nichts schönzureden. Selbst wenn der Tag lang und die Infrastruktur mies ist: Wäre das Friedrichstädter Pub schliesst

Friedrichstädter Pub eine Goldgrube, könnte man darüber hinwegsehen. Dann würde der Betrieb noch ein paar Jahre laufen, bis die Zeit gekommen ist, sich aufs Altenteil zu setzen. Ist es aber nicht.

Aufzuhören, wenn Aufwand und Ertrag nicht mehr im Gleichgewicht stehen, ist unter diesen Umständen deshalb keine Form des Scheiterns, sondern eine Frage der Vernunft. Trotzdem werden solche Entscheidungen hierzulande gerne mit Schadenfreude kommentiert. Meist melden sich bei dieser Gelegenheit dann jene am lautesten zu Wort, welche es schon immer besser gewusst haben. Es sind die gleichen, die selbst leider noch nie die Gelegenheit hatten, etwas Eigenes auf die Beine zu stellen …

Besser geht immer

Sicher kann man Dinge besser machen. Ob man es aber selber besser machen würde, zeigt nur der Tatbeweis. Bei dieser Gelegenheit kommt mir gerade der Song von Depeche Mode in den Sinn: „(Try) walking in my shoes“.

Tatsache ist, dass es unter den herrschenden Rahmenbedingungen nicht einfach ist, ein preiswertes Lokal an dieser Lage zu führen:

  • Die Infrastruktur des Lokals ist irgendwo in der 80er stehen geblieben.
  • Das lokale Zielpublikum ist begrenzt.
  • Die Saison ist verdammt kurz und der Winter verdammt lang.
  • Touristen kommen zwar in beachtlicher Zahl. Aber die meisten sind nicht auf darauf eingestellt zu verweilen, sondern laufen zügig – die Grachtenrundfahrt oder den Eissalon vor Augen – am Pub vorbei.

Unter den gegebenen Umständen habe ich deshalb höchsten Respekt davor, dass man es hier überhaupt schafft, über Jahre wirtschaftlich zu überleben. Für Häme und Spott sehe ich keinen Anlass.

Die Lage alleine ist kein Erfolgsfaktor

Die Frage ist nun, wie es an diesem Ort weiter gehen soll. Die Wahrscheinlichkeit, dass dem Vermieter die Räumlichkeiten praktisch aus der Hand gerissen werden, dürfte … ziemlich klein sein. Das Objekt ist insgesamt nämlich in einem eher pitoyablen Zustand und auch nicht so gebaut, dass es einfach wäre, hier einen lohnenden Laden zu installieren. So ist schon der indirekte Eingang mit Stufen ein wahrer Umsatzkiller. Erst recht, wenn das Publikum zu einem großen Prozentsatz nicht ganz so flink auf den Beinen ist. Es dürfte deshalb – entgegen den Wünschen des Vermieters – sehr schwer werden, ein Ladengeschäft in den Räumen zu installieren. Also doch eher eine Kneipe.

Immobilienbesitzer sollen den Markt spüren

Die Liegenschaft am Markt 21 steht übrigens exemplarisch für meine persönliche Abneigung gegenüber einer städtischen Wirtschaftsförderung, welche mittels Mietzuschuss versucht, neues Gewerbe anzusiedeln. In erster Linie ist es nämlich die Aufgabe der Immobilienbesitzer, ihre Liegenschaft durch einen zeitgemäßen Ausbau und einem fairen Preis attraktiv zu halten. Beides kommt in Friedrichstadt meist zu kurz und würde durch eine bedingungslose städtische Subvention noch verfestigt.

Nein, Immobilienbesitzer sollen für ihr unternehmerisches Handeln vom Markt belohnt oder eben bestraft werden. So ist das in einer freien Marktwirtschaft. Auch bei Liegenschaften kann es keine Erträge geben, wenn die Leistung nicht stimmt.

Das Friedrichstädter Pub hinterlässt eine klaffende Lücke

Doch zurück zum Verschwinden des Friedrichstädter Pubs. Da wir weder den Willen des Hausbesitzers erkennen können, das Objekt attraktiver zu gestalten, noch mit fallenden Mietpreisen zu rechnen ist, wird Friedrichstadt wohl auf absehbare Zeit eine weitere Lücke in ihrem Wahrzeichen zur Schau stellen. Das ist schade und zwar nicht nur für den Tourismus.

Tatsächlich wäre in einem solchen Fall nämlich nicht der Tourismus der große Verlierer, sondern die Stadt. Sie verliert mit dem Schließen des Friedrichstädter Pubs nämlich einen weiteren gesellschaftlichen Knotenpunkt. Und die Illusion, dass es in Leben nach dem Abflauen des Besucherstromes um 18:00 gibt. Nur, wenn es überhaupt keine Möglichkeit mehr gibt, am Abend irgendwo ein Bier zu trinken oder sich im lockeren Rahmen mit Leuten zu treffen, dürfte es ziemlich schwer werden, junge Menschen in Friedrichstadt zu halten oder hierher zu locken. Dann schreiten Überalterung und Bevölkerungsschwund munter voran. Keine schöne Aussicht.

(Wenn Sie sich übrigens wundern, weshalb wir hier einen BMW vor dem Pub als Titelbild gewählt haben: wir wundern uns auch, dass die Bürgermeisterin und die Stadt viel Geld für eine freie Sichtachse ausgegeben haben, jedoch keine Mittel finden, das Parkverbot an dieser Stelle durchzusetzen. Das würde unter dem Strich ja nicht einmal etwas kosten. Aber vielleicht es das ja der Grund, weshalb die Verantwortlichen kein Interesse daran haben. Frei nach dem Motto: Was man nicht bestellen kann, ist nichts wert!)