Was für eine Stadt wollen wir? (Teil 1)

Friedrichstadt und sein Verkehrsproblem

Man mag von den Spaziergängern, welche sich allwöchentlich zusammenrotten, um so gegen das Maskentragen und die Impfpflicht zu protestieren, halten, was man will. Aber für ihren Protest haben sie eine Ausdrucksform gewählt, welche für Friedrichstädter höchst ungewöhnlich ist: Sie sind zu Fuß unterwegs.

Die Idee hinter Friedrichstadt

In Friedrichstadt lernt jedes Kind in der Schule, dass die Gründung der Stadt durch Friedrich III. nicht zufällig erfolgte, sondern dass er damit eine große Idee verfolgte. Natürlich gehen wie üblich die offizielle Geschichtserzählung und die wissenschaftlich verbriefte Erkenntnis deutlich auseinander, aber das ändert nichts an der Grundaussage: Friedrich III. hatte einen Plan.
 
Seither sind 400 Jahre vergangen. Inzwischen ist diese Idee tot, weil sich die Geschäftsgrundlage durch den Bau des Kaiser-Wilhelm-Kanal (heute NOK) verflüchtigt hat.
 
Ersetzt wurde diese Idee nie.
 
Ohne Idee kein schlüssiger Plan. Ohne Plan gibt es nur zusammenhanglose Aktivitäten, die im Grunde nirgendwo hinführen. Wenn wir etwas erreichen wollen – und sei es nur die Stadt für die Einwohnerschaft wohnlich und finanzierbar zu halten – sollten wir uns die Zeit nehmen, uns eine Vorstellung zu erarbeiten, in welche Richtung sich Friedrichstadt entwickeln soll.
 
Ein Plädoyer in zwei Teilen.

In anderen Städten wird bei dieser Gelegenheit gerne die Parole „Wir sind das Volk“ skandiert, aber so weit wollen die Protestierenden bei uns offenbar nicht gehen. Vermutlich, weil ihnen klar sein dürfte, dass sie eben nicht das Volk sind, sondern eine kleine Minderheit repräsentieren. „Das Volk“ würde hier nämlich einen Autokorso veranstalten, denn in Friedrichstadt ist man eher selten zu Fuß unterwegs.

Weil dem so ist, hat Friedrichstadt ein Verkehrsproblem. Ein Problem, welches sich zwar während der Reise- & Ferienzeit im Sommer und Herbst noch akzentuiert, aber ohne jeden Zweifel hausgemacht ist. Rein technisch ist dieses „Problem“ allerdings nicht ganz so dramatisch wie so oft dargestellt, sondern beschränkt sich weitgehend auf einen Mangel an Parkplätzen vor der eigenen Haustür und dem lästigen Zwang, in einer engen Straße einem entgegenkommenden Fahrzeug Platz machen zu müssen.

Eine Arbeitsgruppe gegen das Verkehrsproblem

Die Stadt hat sich nun ein weiteres Mal dieses Problems angenommen. Dieses Mal wohl nicht unter der Führung der Bürgermeisterin, sondern unter dem Dach einer Arbeitsgruppe. Dort hat man offenbar etwas aus dem Desaster des letzten Versuches gelernt und frühzeitig das Gespräch mit den Betroffenen bzw. deren Interessensvertretern gesucht. Das ist auf der einen Seite zwar vernünftig, wirft auf der anderen Seite aber die Frage auf, welche demokratische Legitimation es dafür gibt, nur jene zu hören oder einzubeziehen, welche in der Lage sind, Widerstand zu organisieren.

Doch darum soll es in diesem Beitrag nicht gehen.

Hier soll es sich um folgende Fragen drehen

  1. Was die Neuregelung der Verkehrsströme in der Stadt bringen soll
  2. Woran eine solche Steuerung möglicherweise scheitern wird
  3. Wieso ein Verkehrskonzept über die Verkehrslenkung hinausgehen muss
  4. Welche Vorteile es bringen würde, dem Handeln der Verantwortlichen einen ernsthaften Dialog und Denkprozess aller Bürger voranzustellen

 

Was eine Neuregelung der Verkehrsströme bringt

Ganz bewertungsfrei: Das Verhältnis von Parkraum zur Zahl der Fahrzeuge ist ungünstig. Ebenfalls unbestritten ist, dass die meisten Straßen zu eng sind, als dass sie einen ungehinderten zweispurigen Gegenverkehr zulassen würden. Entsprechend ist es aktuell so, dass beim Autofahren in der Stadt etwas Geduld erforderlich ist.

Mit einer Einbahnstraßenregelung kann im Idealfall dieser Verkehr flüssiger gestaltet werden.

Durch Zugangsbeschränkungen könnte der Verkehr reduziert, die Parksituation im Idealfall entspannt werden.

Allerdings sind solche Maßnahmen auch mit Nachteilen verbunden. Der Einbahnstraßenverkehr führt zu längeren Wegen, was einer Zunahme des Verkehrs gleichkommt. Die Frage ist lediglich, wie hoch dieser am Ende ist.

Außerdem stellt sich die Frage, ob und wenn ja, in welcher Weise, das Gewerbe und die Dienstleistungsbetriebe von motorisierten Zugangsbeschränkungen in ihrer wirtschaftlichen Entwicklung eingeschränkt wären.

 

Woran eine solche Steuerung möglicherweise scheitern wird

Scheitern kann das Vorhaben nur, wenn es mit konkreten Zielen verbunden ist. Konkret bedeutet, dass man nachvollziehbare, also objektiv messbare Ziele definiert. Davon ist noch nichts bekannt. Der bisherigen Praxis folgend, ist eine solche Festlegung auch nicht zu erwarten.

Gehen wir jedoch davon aus, dass die aktuelle Verkehrssituation im Zentrum nicht dem Fremdenverkehr geschuldet, sondern hausgemacht ist, dürfte sich die erhoffte Entspannung in einem engen Rahmen halten. Wobei man klar feststellen muss, dass im Bereich des Kipppunktes (also dem Punkt, an dem das System das Verkehrsaufkommen gerade noch bewältigen oder eben nicht mehr bewältigen kann), auch eine kleine Reduktion die Probleme weitgehend beseitigen könnte.

Gegen eine durchdachte Einbahnstraßenregelung kann man deshalb eigentlich nichts haben.

Wobei das natürlich zur Folge hätte, dass der Stadtverkehr attraktiver, weil flüssiger gemacht wird. Über 50 Jahre Verkehrspolitik haben gezeigt, dass eine Erweiterung der Verkehrskapazitäten dazu führt, dass der Verkehr zunimmt… Immer!

In unserem Fall würden sich jene, welche heute von der Verkehrssituation abgeschreckt werden, der Bequemlichkeit folgend, doch für das Auto entscheiden.

Weitergehende Maßnahmen (Zugangsbeschränkungen) sind angesichts des Widerstandes in der Bevölkerung und dem Gewerbe unter den aktuellen Voraussetzungen nicht zu erwarten. Entsprechend dürften die Effekte von Maßnahmen mit einer weichen Verkehrslenkung auf mittlere Frist gegen null tendieren.

 

Fazit Teil 1

Die Verkehrsproblematik kann man bewerten, wie man will, aber eines lässt sich nicht verleugnen: Sie ist weitgehend hausgemacht. Will man daran wirklich etwas ändern, muss man die Ursachen angehen. Kurzfristige Maßnahmen mögen (temporäre) Erleichterung schaffen. Langfristig wird das Pendel aber wieder zurückschlagen.

Eine rein kosmetische „Verkehrsberuhigung“ wird unter dem Strich darum wenig bringen, Geld kosten und die Bevölkerung trotzdem verärgern…

Im zweiten Teil dieses Beitrages werde ich darlegen, weshalb man das Thema Verkehr nicht losgelöst von der Stadtentwicklung, der Entwicklung des Wirtschaftsstandortes Friedrichstadt und einer zwingend notwendigen Umorientierung in der Umweltpolitik angehen sollte.