Der offene Mittagstisch der Tischnachbarn ist Geschichte

Alle Hoffnungen ruhten auf Königin Margrethe II. Ihr Besuch sollte dem offenen Mittagstisch im Haus zu den drei Rosen neuen Schub verleihen. Doch nachdem ihre Hoheit einen großen Bogen um die Tischnachbarn gemacht haben, sehen die Initianten keine Grundlage mehr, ihre Arbeit fortzusetzen. Der offene Mittagstisch der Tischnachbarn ist Geschichte. Doch liegt es tatsächlich daran, dass Königin Margrethe II. keine Zeit für uns gefunden hat?

Adel war nie die Zielgruppe

Natürlich nicht. Denn der offene Mittagstisch ist eigentlich nichts für den Hoch-. Mittel und den eingekauften Tiefadel. Er war gedacht für alle Bürger der Stadt und Menschen, welche hier arbeiten. Die Idee war, dass man sich einmal die Woche in wechselnder Besetzung zum Mittagstisch trifft, ein leckeres Essen genießt und sich austauscht.

Die Aktion Tischnachbar war – aus dem subjektiven Blickwinkel des Verantwortlichen gesehen – ein großer Erfolg. Nicht nur, dass sich unterschiedliche Köche & Köchinnen gefunden haben, die bereit waren ein ausgezeichnetes Essen auf den Tisch zu zaubern. Spannend war auch, dass unterschiedliche Menschen zusammengekommen sind und sich über unterschiedliche Themen ausgetauscht haben. Mit einander sprechen, statt übereinander reden. Ein an sich schon denkwürdiger Vorgang in Friedrichstadt.

Darüber hinaus haben die Gäste bares Geld gespart (weil das gemeinsame Kochen immer billiger ist, als das auswärtige Essen oder das Kochen im Einpersonenhaushalt). Doch weil einige ihrer Spenden sehr großzügig waren, ist das anpeilte Ziel – die Finanzierung des Weihnachtsfestes der evangelischen Kirche – trotz der kurzen Laufzeit gesichert.

Der offene Mittagstisch der Tischnachbarn ist Geschichte

Trotzdem: Der offene Mittagstisch der Tischnachbarn ist Geschichte. Warum? Sie werden es sicherlich erraten haben: Weil von der Küche der Tischnachbarn ein großes Risiko für das Leben und die Gesundheit der lokalen Bevölkerung ausging. Denn gekocht wurde nicht in einer Gastroküche mit allem Pipapo, sondern einer ganz normalen Haushaltsküche ohne jeden Schnickschnack.

Es war deshalb nur eine Frage der Zeit, bis die Gesundheitsbehörden reagierten, die Quelle des Übels mit chirurgischer Präzision lokalisierten und dafür sorgten, dass das Recht wieder zu seinem Recht kommt. Mit anderen Worten: Die Lebensmittelüberwachung hat eingegriffen und der unregulierten „Inverkehrbringung von Lebensmitteln“ ein Ende gesetzt. Genau deshalb ist der offene Mittagstisch der Tischnachbarn Geschichte.

Rätsel gelöst: Deshalb gibt es so wenige Großfamilien in Deutschland!

Natürlich kann ich das nachvollziehen. Schließlich sind auch mir zahlreiche Fälle bekannt, in denen Großfamilien regelrecht dahingerafft wurden, als sie sich zu ihren gemeinsamen Mahlzeiten trafen. Gerade deshalb tut man gut daran, zur Sicherung des familiären Erbgutes, die Sippe zu unterschiedlichen Zeiten, an unterschiedlichen Orten, mit unterschiedlichen Mahlzeiten zu verköstigen.

So gesehen bin ich froh, dass die Lebensmittelüberwachung gegriffen hat, bevor unsere Gäste wegen mangelnder Hygiene zu Grabe tragen musste. Danke!

Natürlich bin ich jetzt etwas ungerecht. In Tat und Wahrheit ist nicht das Kochen das Problem, sondern das Werben für das Essen. Macht Sinn. Menschen, welche durch Werbung verführt werden, unterliegen einem weitaus größeren Risiko Opfer von Magendarmkatastrophen zu werden, wie jene Leute, welches sich einfach nur aus purer Gewohnheit jeden Mittwoch zum Essen treffen.

Da aber ein offener Mittagstisch, an welchem möglichst unterschiedliche Menschen miteinander in Kontakt kommen, ohne Werbung nicht funktioniert, muss ich die Segel streichen. Macht zwar keinen Sinn, ist aber trotzdem richtig, weil Gesetz. So beerdigen wir hiermit ein schönes und erfolgreiches Projekt, welches Friedrichstadt ein wenig schöner gemacht hat. Nicht für die Touristen, sondern für die Menschen der Stadt. Der offene Mittagstisch der Tischnachbarn ist Geschichte. Schade eigentlich.

 

Das Amt ist nicht das Problem

Um es klar zu stellen: Obwohl ich diese (und einige andere) Regelungen der Lebensmittelkontrolle für unsäglich idiotisch halte, mache ich der Lebensmittelüberwachung keinen Vorwurf. Nicht sie ist das Problem, sondern die Hysterie hinter der entsprechenden Gesetzgebung. Die Kontrolleure sind nur ausführende Organe. Es ist ihr Job, bestehende Regelungen durchzusetzen. Sie handeln deshalb absolut korrekt. In diesem Zusammenhang möchte ich dem Amt sogar ein Kränzchen winden. Meine Erfahrung zeigt nämlich, dass diese Behörde keineswegs darauf aus ist, Projekte zu verhindern. Im Gegenteil: Sie ist meistens bemüht, praktikable Lösungen zu finden. Das eigentliche Problem ist aber, dass wir in einer Hygienehysterie gefangen sind. Würden Luft, Boden und Wasser genau so intensiv geschützt, wie unsere Kochbereiche, die Menschheit hätte deutlich bessere Aussichten die nächsten 100 Jahre zu überleben.

Noch ist aber nicht aller Tage Abend. Wir kommen wieder, keine Frage!

Der offene Mittagstisch der Tischnachbarn mag Geschichte sein. Das bedeutet aber nicht, dass die Idee als solches gestorben wäre. Wir müssen und werden Wege finden, wie wir dasselbe Ziel mit etwas anderen Mitteln erreichen können. Selbstverständlich rücksichtslos legal.

Man darf, wenn man ein edles Ziel vor Augen hat, nicht beim kleinsten Widerstand einknicken. Meist braucht es eben Geduld, eine gesunde Portion Sturheit und viel Ausdauer. Sie dürfen davon ausgehen, dass wir das mitbringen. Sei es bei den Tischnachbarn oder auf anderen Gebieten, für die es sich zu kämpfen lohnt.