Der Rosen-Huus Jahresrückblick 2021
Friedrichstadt feiert ein Jubiläum
Was für ein Jahr: Die Stadt Friedrichstadt feierte ihr 400-jähriges Jubiläum und das Rosen-Huus mittendrin! Dank der vielen Veranstaltungen rund um die Stadtgründung wurde die Stadt in diesem Jahr von neugierigen Gästen und Schaulustigen geradezu überrannt. Kein Wunder also, dürfen wir auf ein außerordentlich erfolgreiches Geschäftsjahr 2021 zurückblicken…
Das mit dem erfolgreichen Geschäftsjahr stimmt. So viel sei schon verraten. Wobei: Was bedeutet Erfolg eigentlich? Das Problem: Erfolg liegt im Auge der Betrachter. Wer schon einmal in einer Organisation tätig war, welche etwas schwerfälliger mit Kritik umgeht (etwa das Zentralkomitee der SED, dem Bund, der deutschen Bischofskonferenz, etc.) die lieber – besser – nur Erfolge vermeldet, weiß wovon ich spreche.
Das haben wir aber gut gemacht!
Nehmen wir einmal die Feierlichkeiten zum 400 Jahr Jubiläum der Stadt Friedrichstadt. Ich bin mir ganz sicher, dass sich die Führungsriege im Rathaus stolz auf die Schulter klopft und mit Tränen in den Augen auf das Fest zurückblickt:
- Eine tadellos organisierte Geburtstagsfeier am letzten Septemberwochenende 2021
- Eine Jubiläumsschrift produziert, die an über 2000 Haushalte gegangen ist
- Flaggen, Plakate und Schilder über die Stadt verteilt, um auf das Ereignis hinzuweisen
- Die Fotos von 1921 an vielen Häusern der Stadt
- Ein erfolgreich durchgeführtes Symposium über Toleranz in der ehemaligen Synagoge
- Ein Stadtmusical organisiert, welches hoffentlich im März 2022 tatsächlich stattfinden kann
- Diverse Medienberichte
- Viele Gratulationen von wichtigen Persönlichkeiten aus aller Welt (Kiel, Flensburg, Hamburg, etc.) erhalten
- Zahllose private Beiträge gefördert und wohlwollend begleitet
Vielleicht habe ich noch den einen oder anderen Höhepunkt verpasst, aber ich denke die Leser und Leserinnen wissen schon, was ich sagen will: Es geht darum, die eigene Leistung, wenn nicht zu überhöhen, so doch in einem günstigen Licht darzustellen. Danach zieht man sich zufrieden zurück und lässt den Abend bei einem guten Gläschen Wein ausklingen. Schwamm drüber. Noch einmal gut gegangen.
Ein etwas anderer Blick
Man kann die Sache natürlich auch aus einem ganz anderen Winkel betrachten:
- Null Nachhaltigkeit: Keiner der Anlässe hat es geschafft, eine Wirkung über den Moment hinaus zu entfalten
- Die Jubiläumsveranstaltungen wurden nicht dazu genutzt, neues Publikum anzusprechen und in die Stadt zu locken
- Die einfachen Bürger der Stadt wurden… eher nicht angesprochen
- Eine Feierstimmung ist zu keinem Zeitpunkt spürbar geworden
Dies ist der Jahresrückblick 2021 des Rosen-Huus und keine Abrechnung mit den Verantwortlichen für das Stadtjubiläum. Deshalb wollen wir hier dieses Thema nicht weiter vertiefen. Es dürfte auch so klar geworden sein, dass es bei einer objektiven Bewertung immer darum geht, welche Perspektive man einnimmt und was man mit einer solchen Analyse bezweckt. Will man sich in einem guten Licht darstellen, konzentriert man sich auf scheinbare oder tatsächliche Erfolge. Will man weiterkommen und ein Ziel erreichen, sollte man vorab eine klare Zielsetzung formulieren, um danach die eigene Leistung messen zu können. Bei der Stadt, welche einfach nur agiert, ohne je ein konkretes Ziel zu formulieren, ist eine „objektive“ Bewertung daher gar nicht möglich.
Der Jahresrückblick 2021 des Rosen-Huus
Wohl aber beim Rosen-Huus, denn wir haben vor einem Jahr klar gesagt, was wir im darauffolgenden Geschäftsjahr anstreben:
Wir haben uns vor einem Jahr dafür entschieden, unser Glück fortan im Internet zu suchen, weil wir dort unser Schicksal in den eigenen Händen wissen und nicht darauf angewiesen sind, dass uns das Stadtmarketing die richtige Zielgruppe zuführt.
Das ist uns auf den ersten Blick ganz gut gelungen: Wir konnten 2021 unseren Online-Umsatz ziemlich genau verdoppeln.
Damit hat der Onlinebereich den stationären Handel zum ersten Mal überflügelt. Und das, obwohl der Laden – trotz schwieriger Bedingungen – um traumhafte 25% zugelegt hat.
Wir hätten deshalb allen Grund uns ebenfalls auf die Schultern zu klopfen (das mit dem Wein fällt bei uns weg, weil ich kaum Alkohol trinke). Tatsächlich bin ich aber mit der Entwicklung alles andere als zufrieden:
Wir haben nicht, bzw. viel zu wenig vom richtigen Umsatz gemacht
Das betrifft nur meinen eigenen Verantwortungsbereich (online), nicht jedoch den Laden, wo unsere Anpassungen gut funktioniert haben und wir wirklich stolz darauf sein können. Und das, obwohl dieses Maskenzeug uns die Arbeit sehr stark erschwert hat.
Der Aufbau von Nischen wurde nicht konsequent betrieben
Die Projekte, mit denen wir im Onlinebereich eine Nische schaffen und besetzen wollten, blieben mangels Zeit und Fokus weit hinter den Erwartungen zurück. Das liegt zum einen an einer klassischen Fehlallokation der Kräfte (400-Jahr Feier), zum andern an der kurzfristigen Entscheidung, einen guten Teil meiner Arbeitskapazitäten auf ein privates Projekt zu konzentrieren (was ein sehr schöner Erfolg war, notabene).
Die fehlenden Ressourcen
Der Onlinehandel hat (im falschen Bereich) eine Dynamik angenommen, welcher die vorhandenen Ressourcen rasch überfordert haben, bzw. verhindert hat, dass ich mich auf die wertigen Bereiche konzentrieren konnte.
Im Grunde muss ich nach einem Jahr feststellen, dass ich denselben Fehler gemacht habe, wie das Stadtmarketing: Masse statt Klasse. Wobei wir den Erfolg unserer Bemühungen zumindest belegen und sich die Bemühungen unter dem Strich wohl doch gerechnet haben dürften. Aber eben nicht so, dass sich der betriebene Aufwand gelohnt hätte.
Es fehlt die Freude
Wenn es nur darum geht, Geld zu verdienen, muss man keinen Laden in Friedrichstadt führen. Wenn wir es trotzdem tun, dann weil wir uns eine „Vergütung“ ausserhalb des monäteren Bereichs erhoffen. Und exakt dieser Bereich ist in 2021 deutlich hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Es blieb dafür einfach nicht genügend Zeit.
Wie gesagt: Erfolg liegt im Auge der Betrachter
So kommt es, dass wir trotz einer Umsatzsteigerung von 58% mit dem zurückliegenden Geschäftsjahr nicht wirklich zufrieden sind. Aus diesem Grunde ist es notwendig, einige Korrekturen anzubringen, um die gewünschten Ziele zu erreichen.
Im Prinzip müssen wir dafür keine neuen Ziele formulieren. Es reicht, wenn wir die Zielsetzungen von 2021 im laufenden Geschäftsjahr konsequent(er) umsetzen. Die da wären:
- Das standortunabhängige Profil weiter ausbauen
- Den Auf- und Ausbau von Nischen vorantreiben
- Eigene Produktlinien pflegen und ausbauen
Das wird mit Sicherheit dazu führen, dass wir 2022 deutlich weniger Umsatz machen werden. Das ist aber nicht schlimm, wenn es uns gelingt in lukrativere Gefilde vorzustossen. In diesem Fall könnte sich das Ganze sogar besser rechnen und es bliebe trotzdem wieder genügend Zeit, um lachend mit Freunden Tee und Kaffee zu trinken. Denn genau dies ist 2021 eindeutig zu kurz gekommen. Und dafür kann das Stadtmarketing für einmal überhaupt nichts!
Moin lieber Sidney, Du sprichst Wahres gelassen aus. In Friedrichstadt kann man als Gewerbetreibender nur (an)(be)ständig leben (ich sage bewusst nicht „überleben“, denn das ist für uns ja kein anstrebenswertes Ziel), wenn man hochqualitativ, mit scharfem Profil und gutem Image eine Nische konsequent besetzt. Unsere Erfahrungen, und die einiger anderer Unternehmenden zeigen das relativ deutlich. Der „schnelle“ EURO ist hier auch in der Saison schon lange nicht mehr zu machen – die Handelskonzepte müssen ehrlich und ganzjährig funktionieren, wenn Sie tragfähige Existenzgrundlage und nicht Nebenerwerb oder Hobbybetrieb sein sollen. Professionelles Betreibertum und Herzblut sind letztendlich die entscheidenden Erfolgsfaktoren. Das gilt natürlich nicht nur für Friedrichstadt, aber hier ganz besonders, da die krasse touristische Zweiteilung zwischen Saison(lohnt sich!) und Nichtsaison(lohnt sich nicht!) aus meiner Sicht in den 7 Jahren, die wir hier sind auch nicht ansatzweise überwunden werden konnte. Die gemeinschaftliche Sensibilität der meisten Gewerbetreibenden, die das „besondere (Einkaufs)Erlebnis“ im Ort vermitteln können, reicht noch lange nicht für einen gemeinsamen Schulterschluss, der Friedrichstadt zu einem Einkaufserlebnis der Ausnahmeklasse – im deutlich entspannten Gegensatz zu einem THEO in Husum oder zu einem Designer-Outlet in XY-Stadt, machen könnte. Die Grundvoraussetzungen sind zwar aktuell viel, viel besser, als vor 7 Jahren. Interessantere Läden und Gewerbe und z.B. ein für Kooperation viel offenerer Tourismusverein als 2015… Was (wie Du ja auch bemängelst) fehlt, ist aber die konsequente und konzeptionell-nachhaltige Kooperationsbereitschaft ganz vieler „sogenannter Akteure“ im Ort… Hier ist noch so viel Luft nach oben! Dabei geht es nicht nur ums Reden und Informieren, sondern um das Handeln, aus dem sich ja u.a. auch der Begriff Handel ableitet… Ihr und wir und einige andere machen halbwegs erfolgreich „ihr Ding“ – aber „aus Erfahrung heraus“ bedauerlicherweise besser jeder für sich allein. Was könnte die Stadt als Kulturort doch zusätzlich an individueller Ausstrahlung gewinnen, wenn hier gemeinschaftliche Kräfte richtig frei- und eingesetzt werden könnten… Vielleicht kämen wir von „Masse statt Klasse“ zu „Masse mit viel Klasse“!? Dass wir hier in der „Provinz“ leben, ist kein Nachteil; das könnte noch als zusätzlich charmanter und liebenswerter Pluspunkt dazukommen, wenn man ihn denn richtig kommunizieren würde… die Rohdiamanten liegen eigentlich überall herum – nur keiner will sie schleifen…