
Wie ist Friedrichstadt auf schwierige Zeiten vorbereitet?
Die Angst des Hasen vor dem Fuchs
Am 28. Oktober, also kurz vor dem imaginären Zeitpunkt, da gemäß einer alten Bauernregel Friedrichstadt in einen langen, tiefen Winterschlaf fällt, veröffentlichten die Husumer Nachrichten ein Interview mit Jan Stümpel, dem Vorsitzenden der örtlichen Unternehmergemeinschaft. Darin äußert er die Befürchtung, dass uns im Allgemeinen und den Unternehmen im Speziellen schwere Zeiten bevorstehen würden, die unter Umständen nicht jeder Betrieb überleben wird. Stimmt das wirklich und wenn ja, was könnte man dagegen tun?
Krisen in der Dauerschleife
Eigentlich sollten wir „Krise“ inzwischen gewöhnt sein. Corona Welle 1, Welle 2, Welle 3 und nun die Energiekrise. Die ersten beiden Krisen haben wir nicht zuletzt dank staatlicher Hilfe ganz gut überstanden. Zumindest haben wir sie überlebt. Einige von uns sogar ziemlich gut. Bei der Aktuellen, die wir maskenlos weggelächelt haben, ist das nicht ganz so klar. Bei den einen liefen die Geschäfte erfreulich gut. Andere mussten wohl spürbare Rückschläge verdauen.
Die eigentliche Herausforderung steht uns allerdings noch bevor: Die Kombination einer angeblich überstandenen Pandemie (und der damit einhergehende Engpass an Arbeitskräften, die Störungen in den Lieferketten und die Zurückhaltung ängstlicher Kundengruppen), einer galoppierenden Inflation, welche die Kaufkraft besonders in unserem Kundensegment massiv einschränkt, der latenten Angst vor Krieg und einem allgemeinen wirtschaftlichen Niedergang, lässt Böses ahnen.
Ob es wirklich so schlimm kommt, wie sich das jetzt anhört, können wir natürlich nicht wissen. Die Wahrscheinlichkeit ist jedoch ziemlich hoch. Denn schon die absehbaren Nachzahlungen im Bereich der Energieversorgung dürften dafür sorgen, dass die Kaufkraft eingeschränkt wird und die finanziellen Reserven, welche die Einkommensverluste ausgleichen könnten, dahinschmelzen wie die Alpengletscher im Zuge des Klimawandels.
Krisengewinner
Der Vergleich mit dem Verlust an „ewigem“ Eis ist durchaus passend: Wir sehen die Folgen, bedauern die Konsequenzen, kennen die Ursachen und tun… richtig (oder besser gesagt: falsch) – gar nichts.
Bei Gletschern wie im Wirtschaftsleben rächt sich das bitter.
Während sich die Gletscher wegen des Temperaturanstiegs Stück für Stück verabschieden, gibt es in der Wirtschaft aber auch bei einem Rückgang des Bruttosozialproduktes nicht nur Verlierer, sondern immer auch Sieger. Also Betriebe, Standorte und Branchen, welche trotz der Krise Marktanteile gewinnen können.
Das ist weder reiner Zufall noch ein Gottesgeschenk. Viel mehr verdienen sich die Gewinner ihre Zuwächse durch die Fähigkeit und die Bereitschaft, sich den veränderten Bedingungen anzupassen. Dabei ist es kein Nachteil, wenn man den Anpassungsprozess frühzeitig startet. Am besten natürlich schon vor Beginn des Niedergangs.
Das ist allerdings nur möglich, wenn man die Entwicklung voraussieht, die Ursachen des Wirtschaftsabschwungs erkennt und sie richtig einordnet.
Glück haben oder das Glück erzwingen
Beim überraschenden Ausbruch einer weltweiten Pandemie ist die Vorbereitungszeit natürlich denkbar knapp. Trotzdem bot aber auch die Covid-19 Krise Chancen und Möglichkeiten. Und dabei muss man nicht nur an die Apotheken denken, welche von der Bundesregierung reichlich beschenkt wurden.
Aber bereits bei der zweiten Runde hatte man die Möglichkeit sich darauf vorzubereiten. Und jetzt die Frage: Was außer einem lächerlichen Hygienekonzept hat der Standort Friedrichstadt und sein Gewerbe in dieser Beziehung geleistet?
Mehr als ein paar Stoßgebete, es möge die Stadt nicht allzu stark treffen, waren es wohl nicht. Und auch diese hat sich die Mehrheit vermutlich gespart. Doch Glück gehabt: Wie schon im Vorjahr, profitierte man in Friedrichstadt vom Drang der Menschen rauszugehen, Stadt und Wohnraum zu verlassen. Dank diesem Glück ist es auch nahezu ohne Folgen geblieben, dass man die kommerzielle Chance, welche das 400 Jahr Jubiläum der Stadt geboten hat, nahezu ungenutzt verstreichen ließ.
Was, wenn uns das Glück verlässt?
Ob wir noch einmal mit so viel Glück rechnen können, wenn im kommenden Jahr der prognostizierte Wirtschaftseinbruch kommt, ist zweifelhaft. Wenn die Nebenkostennachzahlungen das Ersparte auffressen und die steigenden Lebenshaltungskosten die allgemeine Kaufkraft geschmälert haben werden, wird der Sparhebel mit Sicherheit bei den Extra-Ausgaben angesetzt. Vielleicht nicht zwingend bei der Ferienreise, aber mit Sicherheit bei den damit verbundenen Sonderausgaben.
Friedrichstadt mit seinen vielen Tagesbesuchern ist ein touristischer Zweitverwerter und deshalb von solchen Umsatzverlusten besonders betroffen. Und in der Tat: Bereits in dieser Saison haben wir Ansätze zu dieser Entwicklung gesehen.
Als kleiner Tourismusstandort können wir nichts dagegen tun, dass in absehbarer Zukunft das Geld unserer Gäste nicht mehr so locker den Besitzer wechselt. Trotzdem stünden wir der Entwicklung nicht schutzlos gegenüber. Dabei gibt es grundsätzlich zwei Strategien:
- ein Angebot, zu welchem die Gäste einfach nicht nein sagen können; also eins, dass sie dazu bewegen wird, ins deutlich schmalere Urlaubsportemonnaie zu greifen, um den einen oder anderen Euro in unserem Ort zu lassen.
- Maßnahmen, welche dazu führen, dass mehr Menschen in die Stadt strömen, auf dass bei einem kleineren Pro Kopf Budget am Ende zumindest der Umsatz nicht zu stark sinkt.
Selbstverständlich wäre es auch möglich und nicht verkehrt, beide Strategien miteinander zu verknüpfen.
Stillstand ist zuweilen der erste Schritt ins Verderben
So oder so braucht es für beide Vorgehensweisen einen gewissen Vorlauf. Zur Erinnerung: Die kommende Saison startet bereits in sechs Monaten. Hinzu kommt, dass die effektivsten Maßnahmen im Februar / März greifen würden. Doch dazu später mehr.
Was die einzelnen Betriebe planen oder bereits in der Pipeline haben, können wir an dieser Stelle nicht sehen. Ich will nicht ausschließen, dass sie bereits entsprechende Angebote in Vorbereitung haben. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass diese sich in aller Regel auf defensive Aktionen beschränken. Also auf Maßnahmen wie Kosteneinsparungen und Margenverzicht. Wer sich so verhält, kann mit seinem vorausschauenden Handeln vielleicht das Überleben des Betriebes sichern, in die Kategorie der Gewinner schafft man es damit aber nicht. Ganz im Gegenteil: es ist definitiv der erste Schritt in die Gefahrenzone, denn weder Kosten noch Marge können beliebig gesenkt werden.
Gewinner zeichnen sich dadurch aus, dass sie Marktanteile gewinnen. Dass sie mit ihren Leistungen derart überzeugen können, dass sie ihre Kundschaft nicht über den Preis bestechen müssen.
Davon ist in Friedrichstadt nichts zu sehen.
Wer ist verantwortlich?
Natürlich ist für eine Verbesserung der Wettbewerbsstellung in erster Linie jede einzelne Geschäftsfrau bzw. Geschäftsmann selbst verantwortlich. Wenn das Angebot nicht marktfähig ist, dann nützt auch die beste Strategie nichts.
Da aber kein einziges Unternehmen der Stadt groß genug ist, um relevanten Einfluss auf die Außendarstellung des Standortes zu haben, führt kein Weg daran vorbei, dass wir uns im Verbund gegen den drohenden Niedergang stemmen sollten.
Womit wir wieder bei der von Jan Stümpel repräsentierten Unternehmergemeinschaft wären. Diese wäre das richtige Forum, in dem effektive Maßnahmen eingeleitet werden könnten, um den Standort Friedrichstadt auf die Siegerstraße zu führen. Gemeinsam könnten dort Unternehmerinnen und Unternehmer Aktionen starten, welche Menschen anlocken und dazu verführen, ihr Geld in der Stadt zu lassen.
Nur ist in dieser Beziehung noch nicht viel zu sehen. Weder von dem organisierten Teil (also den Mitgliedern), noch von jenen, welche der Unternehmergemeinschaft (noch) nicht beigetreten sind, weil sie vielleicht glauben mögen, es reiche, wenn sich andere für ihre Interessen einsetzen… Das wird so nicht funktionieren. Weder das Nichtstun noch das passive Mitschwimmen.
Das Problem ist nicht die Unternehmervereinigung
Um Missverständnissen vorzubeugen: Dies ist keine Kritik an der Unternehmervereinigung. Diese ist als Forum und nicht als Dienstleister konzipiert. Sie bietet also lediglich eine Plattform, welche die einzelnen Unternehmen für sich (bzw. für alle) nutzen könnten. Tun sie aber nicht. Zumindest nicht in dem Sinne, dass am Ende für die Gemeinschaft etwas herauskommen würde.
Möglich, dass sich die Gewerbetreibenden auf den Standpunkt stellen, man habe mit der Tourismus Information (TI) ja bereits eine Organisation, welche man für die Vermarktung des Standortes teuer bezahle.
Das ist in der Theorie richtig.
Allerdings wird dabei immer wieder übersehen, dass die TI in erster Linie eigene Interessen vertritt. Konkret, einen Legitimationsnachweis zu liefern, dass es sie überhaupt braucht. Und so lange man sich seitens der Stadt damit zufriedengibt, völlig irrelevante Kennzahlen (zum Beispiel nicht ernsthaft zu belegende Gästezahlen) und Kriterien (Anzahl der durchgeführten Veranstaltungen) als Daseinsberechtigung zu akzeptieren, wird sich daran auch nichts ändern.
Wer nur in Umsatz denkt, denkt maximal zu kurz
Es ist eine Binsenweisheit, dass die Wirtschaft nicht vom Umsatz, sondern vom Gewinn lebt. Entsprechend müssen alle Maßnahmen zur Festigung der Marktstellung von Friedrichstadt darauf ausgerichtet sein, dass der Ertrag mit Maßnahmen höher ausfällt als ohne.
In der bisher geübten Praxis sehen wir aber genau das Gegenteil. Die Veranstalterin (TI) organisiert lieber Veranstaltungen, welche sie gut dastehen lassen. Weil dies am einfachsten geht, wenn bereits schon viele Menschen in der Stadt sind (und ein Event keine zusätzlichen Leute anzuziehen bräuchte), nimmt sie in Kauf, dass das stationäre Gewerbe mit einem Mehraufwand belastet wird und dafür mit Umsatzeinbußen bestraft wird. Dazu passt, dass der Löwenanteil der Erträge, die bei diesen Events erwirtschaftet werden, an Betriebe außerhalb der Stadt fließt.
Das hat alles seine Gründe. Am Ende lassen sich diese aber alle auf die Fehlanreize zurückführen, welche das Gebilde „Tourismusorganisation“ bzw. die fehlende Führungsqualität der politisch Verantwortlichen geben.
Diese institutionellen Fehlanreize, welche praktisch allen politischen Gebilden inne liegen, sind der Grund, weshalb die Unternehmerschaft ihr Schicksal eigentlich selbst in die Hand nehmen müsste. Die Politik kann diesen Prozess bestenfalls wohlwollend begleiten – schlimmstenfalls wird sie viele gute Ideen und Lösungsansätze durch destruktive Verhaltensweisen im Keim ersticken.
Instrumente dafür sind mannigfach vorhanden. Sie beginnen beim Ordnungsamt, führen über die Lebensmittelkontrolle und enden noch lange nicht beim Bauamt. Für größere oder kleinere Schikanen an die Adresse unliebsamer Akteure braucht es auch nicht unbedingt ein Amt.
Was könnte man tun?
Zuallererst müsste man eine Idee haben, welche dazu führt, dass bisher unbediente Kundensegmente den Weg nach Friedrichstadt finden. Eine Idee, welche spektakulär genug ist, im allgemeinen Lärm gehört zu werden. Je besser diese ist, desto weniger (finanziellen) Aufwand müsste man betreiben, um diese bekannt zu machen.
Um es offen auszusprechen: Mit dem Thema „Holländerstädtchen“ ist das nicht zu schaffen. Das bearbeitet die TI ja bereits intensiv…
Die Idee muss nicht nur eine möglichst hohe Außenwirkung zeigen, sondern auch geeignet sein, dem lokalen Gewerbe zusätzliche Einnahmen zu bringen. Der optimale Zeitpunkt dafür liegt übrigens nicht im Juli, August oder September, sondern im Februar und März. Denn in dieser Jahreszeit ist die Stadt mehr oder weniger unbelebt und jeder zusätzliche Besucher ein umso größerer Gewinn.
Allein kann das kein Unternehmen schaffen. Dazu braucht es viele – möglichst sogar alle. Ob dabei alle im gleichen Maße profitieren können, ist nicht von Belang. Entscheidend ist, dass der Standort gewinnt, denn das ist quasi die Garantie dafür, dass am Ende alle auf ihre Kosten kommen. Also auch jene, welche nicht direkt im Tourismus aktiv sind.
Ein Projekt, welches das Gewerbe der Stadt nicht nur über die kommende Konjunkturdelle, sondern auch darüber hinaus weiterbringen soll, wäre mit viel Arbeit verbunden. Ohne das Engagement aller Beteiligten ist das nicht zu stemmen. Denn eines muss allen bewusst sein: Man kann diese Aufgabe(n) nicht an die städtische TI abgeben, wenn man die wirtschaftlichen Ziele tatsächlich erreichen will.
Die Zeit drängt
Viel Zeit bleibt allerdings nicht. Es ist im Gegenteil zu befürchten, dass der Zug für 2023 bereits abgefahren ist. Denn ein wirkungsvolles Projekt bräuchte Zeit für Entwicklung, Aufbau und Vermarktung. Und diese ist bereits äußerst knapp. Kommt dazu, dass einige Betriebe sich nun in den Winterschlaf verabschieden, während andere vor dem Weihnachtstrubel stehen. Es ist also zweifelhaft, ob sich zeitnah genügend Gewerbetreibende finden lassen, die ihr Schicksal aktiv gestalten wollen.
Das lässt in der Tat die Befürchtung aufkommen, dass, wie von Jan Stümpel in seinem Interview benannt, einige Betriebe auf der Strecke bleiben werden. Denn die Mischung aus höheren Kosten und geringeren Erträgen verspricht nichts Gutes. Aber so ist das eben in der Wirtschaft: In einer Krise gibt es Gewinner und Verlierer. Zu Letzteren zählt, wer sich nicht rechtzeitig auf die neuen Verhältnisse einstellt. Die böse rot leuchtenden Rücklichter des 2023-er Zuges sind zwar zur Zeit nicht zu sehen – aber lange dauert es nicht mehr.