Kommentar:
So sieht Bürgernähe aus! Die Friedrichstädter Bürgermeisterin Christiane Möller-v. Lübcke (CDU) stellt sich am Markttag auf den Friedrichstädter Markplatz und nimmt bei einem warmen Kaffee Reklamationen und Anregungen entgegen. Normalerweise eine Aktion, welche Politiker/innen jeweils kurz vor Wahlen initiieren. Da die neue Bürgermeisterin ihr Amt aber erst vor wenigen Monaten angetreten hat, war das wohl kein reiner PR Gag zu Wahlkampfzwecken, sondern echte Bemühungen um Bürgernähe. Ein Ansatz, den wohl so mancher Bürger zu schätzen weiß. Zumindest jene, welche die Möglichkeit haben, an einem Werktag auf den Markt zu gehen.
Mehr Bürgerdialog ist niemals schlecht, da gibt es gar nichts zu mäkeln. Je kleiner die Einstiegshürde für den Dialog ist, desto besser nehmen ihn die Menschen an. Desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass man sich als Wähler nicht nur dann ernstgenommen fühlt, wenn es um die Stimmabgabe geht. Deshalb ist es gut, dass sich die Friedrichstädter Bürgermeisterin auf den Markt stellt.
Aber, das reicht nicht.
Vermutlich hat Christiane Möller-v. Lübcke es geahnt, als sie sich genervt etwas wegduckte, als ich sie bei Ihrer offenen Bürgersprechstunde ablichten wollte: Es gibt ein Aber.
Eine öffentliche Bürgersprechstunde ist eben doch (auch) ein populistisches Instrument. Sie ist ein Stück vorausschauende Wahlwerbung in eigener Sache. Und wer will es ihr verdenken? Frau Christiane Möller-v. Lübcke besitzt als Bürgermeisterin ja nicht wirklich eine Legitimation. Das Wahlvolk hat weder ihr, noch ihrer Partei das entsprechende Mandat erteilt. Und wer nicht in der Lage ist, Kraft seiner Inhalte Wahlen zu gewinnen, muss beim nächsten Mal auf eine Persönlichkeitswahl hoffen. Das ist legitim. Und wenn sie ihre Sprechstunde ernsthaft betreibt – woran ich jetzt nicht zweifeln will – auch durchaus eine erfolgsversprechende Strategie.
Aber das reicht nicht, wenn man wirklich etwas bewegen will. Denn ein Dialog am Stehtisch mag geeignet sein, eine defekte Straßenlaterne anzuzeigen. Für eine ernsthafte Diskussion ist es aber weder der richtige Ort, noch die passende Zeit.
Zumal das Problem dieser kleinen Stadt darin besteht, dass jede zweite Person sich über oder hintergangen fühlt. Dass viel zu viele Menschen sich nicht mehr beteiligen, weil sie… ach ich weiß nicht warum. Ist ehrlich gesagt auch nicht wichtig. Aber es nervt. Und es blockiert.
Friedrichstadt braucht deshalb einen großen Ruck. Einen Ruck, der alle erfasst. Der wieder Gemeinsamkeiten schafft um gemeinsame Aufgaben und Ziele erreichen zu können. Denn eine kleine Gemeinschaft wie Friedrichstadt kann es sich nicht leisten, dass sich die Hälfte der aktiven Bevölkerung in die Schmollecke verzieht. Wo sie fehlen, klafft eine Lücke.
Die Bürgermeisterin täte gut daran, sich diesem Problemfeld anzunehmen. Denn wenn wir die Zukunft in dieser Stadt erfolgreich bewältigen wollen, brauchen wir auch die Abwesenden. Wir brauchen ihr Wissen, ihre Begeisterung, ihre Fähigkeiten, ihre Kreativität, ihren Einsatzwillen.
Eine Bürgermeisterin ist keine Kellnerin
Christiane Möller-v. Lübcke zeigt Ihren Willen zum Bürgerdialog. Das ist grundsätzlich begrüßenswert. Doch sich auf den Marktplatz zu stellen, leckeren Kaffee zu verteilen und auf jene zu warten, die immer kommen, ist keine wirkliche Leistung.
Wenn sie es schaffen würde mit jenen wieder ins Gespräch zu kommen, welche sich aus dem Dialog verabschiedet haben, hätte sie hingegen ihre Reifeprüfung bestanden. Dann wäre die kommende Wahl wohl tatsächlich eine Persönlichkeitswahl, welche die CDU trotz fehlender Inhalte für sich entscheiden könnte.
Man kann es vielleicht so zusammenfassen: Die Bürgermeisterin sollte sich nicht als Kellnerin profilieren, sondern als Brückenbauerin. Das braucht Mut und ist nicht immer angenehm. Und es braucht Ausdauer. Aber vermutlich wird die Ernte, welche sie dabei einfahren kann, sie für die Mühen sehr gut entschädigen.