Das Schicksal von Friedrichstadt ist untrennbar mit der Nordsee verbunden. Für Herzog Friedrich III. war „das Deutsche Meer“ so etwas wie das Tor zu den bedeutendsten Weltmärkten seiner Zeit. Um dieses aufzustoßen, gründete er 1621 Friedrichstadt mit dem Ziel einen wichtigen Warenumschlagsplatz zu schaffen und sich damit einen Teil der Erlöse des Welthandels zu sichern.
Die Idee eines mächtigen und wirtschaftlich starken Friedrichstadt gefiel nicht allen. Widerstand kam vor allem von den Küstenstädten (Tönning, Husum), welche befürchteten die geplante Handelsmetropole können ihnen den Rang ablaufen und ihnen ihre Einnahmebasis entziehen.
Vierhundert Jahre später hat sich die Aufregung gelegt. Die kleinen Städte an der Nordseeküste nehmen Friedrichstadt längst nicht mehr als Konkurrenz wahr. Und das ist keine gute Nachricht für Friedrichstadt.
Die Nordsee ist für Friedrichstadt Segen und Fluch zugleich
Das Schicksal von Friedrichstadt ist also eng mit der Nordsee verbunden. Ein Segen, weil ohne die günstige Nähe zur Nordsee, der kleine Landfleck zwischen Eider und Treene kaum je als Standort für eine größere Siedlung infrage gekommen wäre.
Leider ist dieser Segen jedoch gleichzeitig sein Fluch. Als Friedrichstadt bewusst nicht an der Nordsee errichtet wurde, machte das aus der damaligen Zielsetzung durchaus Sinn. Doch nun, da sich der Fokus der Stadt verändert hat, steht sie ohne direkten Meereszugang quasi in der zweiten Reihe. Genau dieser Umstand ist es, weshalb Tönning, Husum. St. Peter-Ording oder Büsum keinen Gedanken mehr daran verschwenden, Friedrichstadt könne eine Konkurrenz zu ihnen sein: Die Nordseeküste zieht nahezu das gesamte Interesse der Besucher und Wirtschaftstreibenden an sich. Und das einst mit großen Zielen und Erwartungen gestartete Friedrichstadt muss sehen, wo es bleibt.
Ist in Friedrichstadt das Scheitern Programm?
Die Frage muss angesichts dieser Ausgangslage erlaubt sein: Friedrichstadt ist ein Kind der Not. Trägt es das Erbe des Scheiterns in seiner DNA oder ist die Stadt und ihre Bürger fähig Ihre Lehren aus der Entwicklung der vergangenen 400 Jahre zu ziehen und eine Richtungsänderung vorzunehmen?
Bereits heute gilt Friedrichstadt als Bedarfsgemeinde, quasi die Hartz IV Variante für Kommunen. Folgt man den Theorien des (zugegebenermaßen umstrittenen) Volkswirtschaftlers und Autors Thilo Sarrazin zum Thema Hartz VI Dynastien, neigen Bedarfsgemeinden dazu ihre Pfründen zu verteidigen, es sich in ihrer Nische bequem zu machen, statt aufzustehen und Weg aus dem Elend zu suchen. Seien wir ehrlich: Da ist etwas dran.
Solange der Leidensdruck nicht groß genug ist, wird sich nichts ändern. Da helfen auch keine auch keine Wettbewerbe und Förderprogramme. Im Gegenteil: Solche Aktionen stärken lediglich die bereits weitverbreitete Erwartungshaltung jener, welche davon ausgehen, dass sich Ihre Lage mithilfe der Wirtschaftsförderung, des Staates, eines weißen Ritters oder dem lieben Gott verbessern werde.
Auch hier haben wir also wieder eine Analogie zu Hartz IV, wo mit sinnlosen Beschäftigungs-, Umschulungs- oder Qualifizierungsmaßnahmen viel (Geld) bewegt, aber sehr wenig erreicht wird.
Nicht von außen wird die Welt umgestaltet, sondern von innen.
Leo (Lew) Nikolajewitsch Graf Tolstoi
(1828 – 1910), russischer Erzähler und Romanautor
Der Erlöser kommt nicht von außen
Auch Friedrichstadt wird nicht von außen gerettet. Das liegt nicht an Friedrichstadt, sondern ist dem menschlichen Wesen geschuldet: Was nicht der Eigeninitiative und Überzeugungskraft entspringt, bewirkt im besten Fall einen Mitnahmeeffekt. Mehr als ein Strohfeuer liegt da nicht drin.
Will Friedrichstadt also eine Zukunft haben, in welcher junge Menschen in der Stadt oder der nahen Umgebung ein Auskommen finden, muss sie
a.) geduldig sein
b.) an den Rahmenbedingungen arbeiten
c.) darauf hoffen, dass ihr Angebot angenommen wird und das eine oder andere Projekt einschlägt
Erfolg ist in dieser Kategorie ist nicht wirklich planbar. Man kann jedoch die Erfolgschancen erhöhen, indem man aktiv in den Wettbewerb um jene Kräfte eintritt, welche eine Erfolgsgeschichte ausmachen. Standortmarketing also.
Dass ein solches Standortmarketing auch ohne volle Kasse möglich ist, hat Friedrich III. bekanntlich eindrücklich bewiesen. Wir sollten aus seinen Erfolgen lernen und nicht aus seinem offensichtlichem Misserfolg. Aktuell konzentriert sich die Stadt jedoch darauf, ihren größten Misserfolg kommerziell auszuschlachten. Diese Strategie hat Friedrichstadt zur Bedarfsgemeinde werden lassen.
Tourismus wird für Friedrichstadt auch in Zukunft wichtig sein…
Der Tourismus in Friedrichstadt ist zweifellos auch in der Zukunft ein wichtiges Standbein, aber es darf nicht das Einzige sein und es muss – ganz wichtig – ein besserer Tourismus werden. Einer von dem die Anbieter, die Arbeitnehmer und die Stadt leben können. Aktuell ist die Wertschöpfung aus dem Tourismus einfach zu klein, weil Friedrichstadt nur im Windschatten des Nordsee-Tourismus läuft und das gute Geschäft an der Küste gemacht wird.
…entscheidend wird aber sein, ob es gelingt neue Branchen aufzubauen
Neben dem Tourismus muss es noch andere Bereiche geben, welche maßgeblich zur Wirtschaftsleistung der Stadt beitragen. Geschäftstätigkeiten, welche in der Wertschöpfungskette über dem Tourismus stehen. Wie diese genau aussehen, ist nicht eine Frage, welche am Reißbrett des Bürgermeisters, im Büro der Wirtschaftsförderung oder im Kreise einer Wettbewerbskommission entschieden wird. Sie ergibt sich von alleine, wenn es Friedrichstadt gelingt, ein attraktives Umfeld zu schaffen, um die talentierte Jugend zu halten und qualifizierte Zuzügler zu gewinnen.
Scheitern bedeutet ein Sterben in kleinen Raten
Gelingt das nicht, droht Friedrichstadt ein Sterben in kleinen Raten: Die Jungen ziehen mangels Perspektivlosigkeit weg, die Schule schließt, Neuzuzüger bleiben weg (zumindest solche, welche Kinder haben), Läden schließen, worauf auch ältere Menschen das Weite suchen.
Zurück bleiben Altenheime, denen das Personal fehlt, weil niemand mit Grips einen schlechtbezahlten, anstrengenden Job mit hoher Verantwortung ausüben will, wenn er die Wahl hat.
Womit zum Abschluss noch gesagt ist, dass neben dem Nachrangtourismus auch die Altenpflege keine erstrebenswerte Zukunftsbranche für Friedrichstadt darstellt.