Gift ist in der Politik keine Alternative!
Von Paracelsus stammt folgende interessante Beobachtung: „Alle Dinge sind Gift, und nichts ist ohne Gift; allein die Dosis machts, daß ein Ding kein Gift sei.“ Eigentlich logisch und mit unserer täglichen Erfahrung durchaus vereinbar. Paracelsus starb 1541. Seine Aussage hat faktisch in den vergangenen 477 Jahren nichts an Wert und Richtigkeit verloren. Nur die Deutung hast sich in jüngster Zeit verschoben. Das gibt Anlass zur Sorge.
Wieviel Gift braucht es, um bei einem Organismus unumkehrbare Schäden zu verursachen? Was den Umgang mit Chemikalien anbetrifft, ist diese Frage in vielen Bereichen geklärt. Da wird zum Beispiel im Rahmen des Arbeitsschutzes klar definiert, ab welcher Belastungsgrenze eine Substanz bleibende Schäden verursacht. Meist wird diese Grenzbelastung in klinischen Versuchsreihen ermittelt. Solche Versuchsreihen finden in einem kleinen, abgegrenzten Rahmen statt.
Doch was, wenn der Organismus kein tierischer oder menschlicher ist, sondern ein gesellschaftlicher? Genau diese Frage versucht zurzeit ein wilder Haufen an Unzufriedenen, Zu-kurz-gekommenen, Frustrierten und Verärgerten zu klären. Eine Horde Wutbürger, welche sich zu einer Partei zusammengeschlossen haben, deren Namen mir einfach nicht mehr in den Sinn kommen will. Gift wirkt! So oder ähnlich lautet ihr Wahlslogan.
Und sie haben Recht. Ihr Gift wirkt. Das war eigentlich vorauszusehen. Etwas schwer vorauszusehen war, dass das jemand positiv sehen kann.
Wenn schlechter Stil wirkungsvoller ist wie die politische Idee
Um es klar und deutlich zu sagen: Es geht hier nicht um die teils hanebüchenen politischen Projekte dieser Gruppe. Es ist ihr gutes Recht, daran zu glauben, dass die Bundesrepublik eine Insel ist und sie mit Rezepten aus dem frühen 19. Jahrhundert die Entwicklung der Welt aufhalten können. Dazu gehört Mut. Und die Fähigkeit eine Mehrheit der Bundesbürger für ihre „Ideen“ zu gewinnen. Wenn sie das schaffen, bin ich Demokrat genug, das zu akzeptieren.
Das Problem sind nicht die zusammengeschusterten politischen Projekte, welche in vielen Bereichen mit der so heftig verteidigten christlichen Wertvorstellung kaum vereinbar sind. Das Problem liegt in der Wahl der Mittel, mit welchen diese verteidigt und durchgesetzt werden sollen.
Im Privatleben spielt es keine besondere Rolle, wenn man sich aufführt, als wäre man eben erst von seinem Baum geklettert. Wer sich jedoch in der politischen Diskussion in erster Linie durch Grunzlaute, Lautstärke und Drohgebärden Verhör verschaffen will, wer gezielt auf die Person spielt und deren soziale, psychische und physische Unversehrtheit zur Disposition stellt, zerstört alles was diese Gesellschaft innerhalb der letzten 500 Jahren ans zivilisatorischen Errungenschaften erreicht hat. Das hat nichts mit bei Erzkonservativen so verhassten 68er Bewegung zu tun, sondern mit den elementarsten Grundrechten einer Zivilgesellschaft. Die Konsequenzen dieser barbarischen Zerstörungswut sind bereits heute für alle spürbar. Sie werden zukünftig noch weitere, schmerzhafte Folgen haben und wie immer vor allem die Schwachen – also die große Mehrheit der Bevölkerung – treffen.
Das Gift zielt auf die Wahrheit
Die selbsternannten Retter des christlichen Abendlandes zeigen in Tat und Wahrheit keinerlei Respekt vor der Demokratie und ihren Institutionen. Ihnen ist keine Lüge zu billig, um Zweifel und Misstrauen zu sähen. Immer darauf aus Schlagzeilen zu provozieren, sich als Opfer darzustellen. Im Grunde verhalten Sie sich von A bis Z exakt gleich wie eine Sekte (Wir haben die Wahrheit und die anderen werden alles tun, damit diese nicht bekannt oder geglaubt wird).
Warum ist das schlimm? Weil diese Sektierer versuchen das Klima zu vergiften. Und weil ihr Gift wirkt. Womit wir wieder bei Paracelsus wären.
Es ist die Dosis, welche den Unterschied ausmacht, ob die Wirkung des Giftes ausbleibt oder ob es bleibende Schäden verursacht und vielleicht sogar zum Tode führt. Leider bin ich geneigt zu sagen, dass wir von einer letalen Wirkung sprechen müssen.
Denn wenn alles dafür getan wird, um die Glaubwürdigkeit jeder Autorität (Staat, Regierung, politische Parteien, Medien, Rechtsstaat, etc.) nachhaltig zu zerstören, wird das früher oder später Wirkung zeigen. Nicht sofort. Nicht an der Oberfläche. Es ist ein schleichender Vertrauensverlust der Bevölkerung in die Institutionen. Denn die Erfahrung zeigt, dass jede noch so absurde Idee Spuren hinterlässt, wenn man sie nur genug oft wiederholt. Es beginnt mit dem Verdacht, dass da doch ein Fünkchen Wahrheit sein könnte und der Spaltpilz ist gesetzt. Fehlendes Vertrauen bedeutet aber auch ein Leben ohne Hoffnung. Wie immer, wenn alle gegen einen sind.
Die alternative Wahrheit für Deutschland zeigt Folgen
Wenn genügend lange alternative Wahrheiten für Deutschland gepredigt werden, wenn wissenschaftliche Fakten ins Lächerliche gezogen und durch unbewiesene Behauptungen ersetzt werden, weil die Mainstream-Wissenschaftler nach der Melodie von Regierung und Wirtschaft tanzen, dann zeigt das früher oder später Wirkung. Dann bleiben notwendige Maßnahmen aus. Es kommt zu Opfern und zu einer Explosion der Kosten. Wie immer, wenn man die Augen vor der Wahrheit verschließt und reagiert, statt zu agieren.
Wenn Meinungsfreiheit so interpretiert wird, dass Menschen mit anderer Meinung beschimpft, bedroht, verunglimpft, verleumdet und in jeder erdenklichen Form angegriffen werden dürfen, hat das auf diese Gesellschaft eine Wirkung. Man kann nicht mehr ohne Angst eine andere Meinung vertreten. Weshalb sollte man sich für diese Gesellschaft engagieren, wenn man damit sein Leben (physisch, gesellschaftlich, beruflich) riskiert? Weshalb anderen mit Anstand und Respekt begegnen, wenn man Pöbeleien und Aggressivität viel weiterkommt?
Wenn die Gesellschaft in Einzelteile zerlegt wird, weil immer mehr Gruppen als Randgruppen identifiziert, an den Pranger gestellt, belästigt, eingeschüchtert und verfolgt werden, dann hat das seine Wirkung. Und zwar bis in die Mitte der Gesellschaft. Denn Solidarität ist unteilbar. Man kann als Gesellschaft nicht nur punktuell solidarisch sein. Dort wo es den Lautsprechern gerade passt.
Das Gift wirkt!
Es ist gut möglich, dass Sie nicht mit allem einverstanden sind, was in diesem Land geschieht. Es ist akzeptabel, wenn Sie sich von der Politik nicht vertreten fühlen. Aber es kann keine Alternative für Deutsche sein, sich ins Knie zu schießen, nur weil der Schuh drückt und man sich eine Blase gelaufen hat. Dagegen gibt es in einer Demokratie Mittel und Wege. Barbarei gehört nicht dazu. Wohl aber gut durchdachte Konzepte, Ideen und Pläne. Und ein vertrauenswürdiges Personal.
Jede eine Stimmen für die Wutbrüter verschafft ihnen Legitimation für ihr Treiben und sorgt dafür, dass ihr Gift stärker wirkt. Sie können dieses Gift, wenn es den Organismus einmal angegriffen und zerstört hat, nicht mehr stoppen. Selbst wenn die Pest vorüberzieht, weil sich auf Dauer mit fehlenden Rezepten und Inhalten keine Politik machen lässt, wird der Schaden bleiben.
Ich persönlich glaube fest daran, dass die allermeisten Menschen, welche aus Protest ihre Stimme an die Nonsens-Partei verschenkt haben, damit nicht wirklich beabsichtigen, das feste Fundament unseres Zusammenlebens aufzulösen. Aber sie tun es. Sie machen sich zum Mittäter / zur Mittäterin.
Gehen Sie zur Wahl
Wenn Sie tatsächlich Wert auf ein Leben in Frieden, Freiheit und Wohlstand legen. Wenn Sie Ihr Land und Ihre Werte verteidigen wollen, dann tun sie das. Am einfachsten, wenn wir diesem Schrecken ein rasches Ende setzen. Das geht ganz einfach: kein Kreuz den selbsternannten Kreuzrittern. Jede einzelne Stimme für diese Gruppe wirkt wie Treibstoff. Jede Stimme für die Wutbürger vergiftet diese Gesellschaft weiter und wird sie am Ende zerstören.
Es gibt Alternativen für Deutschlands Bürger, die politische Misere zu überwinden. Den Organismus zu vergiften gehört nicht dazu.