Mitte der 70er Jahre erlebte ich diesen Moment. Es war beim obligatorischen Frühstück nach dem »Morgestraich«. Jene Veranstaltung, mit welcher meine Heimatstadt mit lautem Pfeifen und Trommeln den Beginn der Fasnacht einleitet. Um 4:00 Uhr morgens, also nachtschlafener Zeit. Auf jeden Fall eine Tageszeit, in welcher meine motorischen Fähigkeiten normalerweise… beschränkt sind. Der Moment kam, als ich meine Mehlsuppe aß (vielleicht war es aber auch ein Stück Chäs- oder Zwiebelewähe ) und das laute Pfeifen unserer Piccolos noch in meinen Ohren nachhallte. Plötzlich stand einer meiner älteren Kollegen aus der Clique auf seinen Stuhl. Er setzte sein Spielgerät an die Lippen und dann bekamen wir Unerhörtes zu hören: Statt den lauten schrillen Tönen aus der Sparte militärische Marschmusik, setzte er sanft und leise zu Mozarts kleiner Nachtmusik an.
In diesem Moment erkannte ich, dass meine musikalische Karriere als Piccolospieler eine sehr begrenzte Perspektive haben würde. Ich konzentrierte mich deshalb fortan mehr auf den sozialen Aspekt der Fasnacht. und überließ musikalischen Bereich den Virtuosen unter uns…
Hackbrett und Harfe in der Remonstrantenkirche
Einen solchen Moment erlebte ich auch gestern Abend wieder. Anlass war ein von Florian Wagner organisiertes Konzert in der Remonstrantenkiche. Aufgetreten sind Sabine Schmid und Eva Kastner aus Bad Reichenhall, der bayrischen Salzmetropole vor den Toren Salzburgs. Das Duo mit dem kombiniert in außergewöhnlicher Weise Harfe und Hackbrett.
Dass der Abend unter dem Titel »Vielsaitiges« lief, bezog sich vermutlich nicht nur auf die vielen Saiten, welche die beiden schlugen und zupften (168* an der Zahl, wie die launig durchs Programm führende Eva Kastner erläuterte). Es war mit Sicherheit auch ein Hinweis darauf, dass man nicht daran dachte, die üblichen Erwartungen des Publikums zu erfüllen.
Tatsächlich dürften die meisten der Anwesenden 80 Zuhörer erwartet haben, die beiden würden Klassisches und Volkstümliches zum Besten geben. Falsch gedacht. Denn da war wieder dieser Moment, als mir und den Zuhörern klar wurde, dass ein Instrument nicht für Musiksparten gemacht wird. Musikinstrumente geben klar definierte Töne von sich und wenn die MusikerInnen ihr Werkzeug beherrschen, können sie jede denkbare Art von Musik darbieten.
Die kleine Nachtmusik ebenso wie einen argentinischen Tango, südamerikanische oder afrikanische Lieder, Jazz oder jede beliebige Filmmusik. Und genau das haben die beiden Damen aus dem Süden denn auch zur großen Freude ihres Publikums getan. Immer wieder mit sinnigen und witzigen Einführungen der Harfenistin Eva Kastner.
Erste Tournee außerhalb… des Landkreises
Das Duo befindet sich zurzeit auf einer kleinen Nordfriesland-Tournee, welche am 5.5. „irgendwo auf Nordstrand“ ihr Ende nehmen wird (für die, welche es genau wissen wollen: das Abschlusskonzert »Klänge für die Seele« findet um 17:00 im Theresien Dom statt.). Es nach eigenen Worten ihre erste Tournee außerhalb des eigenen Landkreises. Und weil die beiden Frauen sich hauptberuflich mit Zahlen auseinandersetzen, opfern sie hierfür einen Teil Ihres Jahresurlaubs.
Nun, es ist zu hoffen, dass es nicht ihr letzter Auftritt außerhalb des Berchtesgadener Lands sein wird und sie irgendwann wieder in die Nähe von Friedrichstadt zu sehen sein werden. Die Standing Ovation des Publikums lässt vermuten, dass sie dann die Eine oder den Anderen Zuhörer wiedersehen würden. Wobei die Erwartung an Harfe und Hackbrett vermutlich eine ganz andere sein dürfte.
Mehr zu Harfe und Hackbrett, bzw. Eva Kastner und Sabine Schmidt
Wenn Sie mehr über die Beiden erfahren möchten, besuchen Sie doch diese Webseite: https://www.kastner-eva.de/
*Sollte ich die Zahl falsch in Erinnerung haben, möge man mir bitte keinen Strick daraus drehen, sondern mir die tatsächliche Zahl einfach durchgeben.
Ich habe in einer ersten Version Florian an Fabian Wagner bezeichnet. Ich entschuldige mich für diesen Fehler.