Die traditionellen Fliesenstuben, die man in alten Gebäuden in Nordfriesland bewundern kann, sind Zeugnis eines regen Handels und kulturellen Austausches mit Holland. Bereits im 17. Jahrhundert begann der Import von den holländischen Fliesenbrennereien nach Nordfriesland, so dass diese hier bis heute einen historischen Schatz darstellen. Leider gab es Zeiten, in denen viele Fliesen im Zuge von Abriss- und Bauarbeiten zerstört worden sind, aber es gab immer wieder Menschen, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, die oftmals kunstvoll gestaltete Keramik zu erhalten. So fand vor 50 Jahren die 1. Nordfriesische Fliesentagung statt, die viel dazu beitrug, das Bewusstsein um den Wert der Fliesen zu schärfen. In der Folgezeit fanden sie immer mehr Liebhaber und Sammler, so dass zeitweise hohe finanzielle Summen für eine Fliese bezahlt worden sind. Ein halbes Jahrhundert nach der ersten Tagung fand nun die 2. Nordfriesische Fliesentagung im Husumer Nissenhaus statt. Veranstalterin war die Interessengemeinschaft Baupflege Nordfriesland & Dithmarschen e.V., deren 450 Mitglieder sich dem Erhalt des Bauerbes der Region verschrieben haben. Deren Leiter Hans-Georg Hostrup (von den Husumer Nachrichten für sein Engagement als „politischer Anwalt für die Baupflege“ als Mensch des Jahres 2018 ausgezeichnet) konnte einige kompetente Referenten für die Fliesentagung gewinnen. Den ersten Vortrag hielt Prof. Thomas Steensen (ehemaliger Leiter des Nordfriisk Institut) zum Thema „Das seltsame Volk der Friesen“, indem er einen Überblick über die friesische Kultur, Sprache und Geschichte präsentierte. Es folgte der Vortrag „Fliesen in Westschleswig und auf den Inseln Röm und Fanö“ von Elsemarie Dam-Jensen (Museum Sonderjylland), in dem sie die unterschiedlichen Fliesenstile im Wandel der Zeit darstellte. Während im 17. Jahrhundert der Rahmen noch am wichtigsten war, entwickelten sich im 18. Jahrhundert eine Vielzahl von Bildmotiven: geometrische Formen, Pflanzen, Tiere, Szenen aus Mythologie und Bibel. Vor allem die Bibelmotive sind ein begehrtes Forschungsobjekt, denn oftmals ist ein hohes Maß an theologischer Kenntnis nötig, um die dazu gehörige Bibelstelle ausfindig zu machen. Nach einem Referat von Rudolf Matz über das erste deutsche Fliesenmuseum in Boizenburg folgte ein Diavortrag des Fliesen-Experten Dr. Günter Klatt (Husum) über die „Fayencefliesen, nicht nur aus den Niederlanden“. Dr. Klatt klärte einen weit verbreiteten Irrtum auf: Häufig ist in Nordfriesland die Rede von „Delfter Kacheln“, doch die gibt es bei uns in Nordfriesland gar nicht. Zudem befinden sich Kacheln immer an Öfen und sind klar von Fliesen abzugrenzen. Er zeigte anhand von Beispielen auf, dass Fliesen häufig einen besonderen Blick auf die Geschichte gewähren. So ist das häufige Motiv der Tulpe im Zusammenhang mit der holländischen „Tulpenmanie“ (17. Jh.) zu sehen, die als erster Börsencrash in die Geschichte einging. Einen besonderen Höhepunkt verzeichneten die Teilnehmer der Nordfriesischen Fliesentage am zweiten Tag der Veranstaltung. Auf der Nordseeinsel Pellworm zeigte Helmuth Bahnsen (Rungholtmuseum) seine Fundstücke aus dem Wattenmeer, darunter Bruchstücke seltener Fliesen, die Überbleibsel der von Sturmfluten zerstörten Häuser darstellen. Ein weiteres Ziel war der Waldhusenhof, ein Verkanthof (erbaut ca. 1740), in dem noch eine original erhaltene Rokoko-Fliesenstube vorhanden ist. Dr. Günter Klatt begeisterte die Besucher zum krönenden Abschluß der Exkursion mit seiner persönlichen Sammlung aus mehreren europäischen Staaten im Stall der 1.000 Fliesen. Hans-Georg Hostrup (Vorsitzender der IG Baupflege) blickt auf eine erfolgreiche und gut besuchte Fliesentagung mit internationalen Gästen zurück: „Allen Teilnehmern eröffnete sich eine neue Welt und Sichtweise auf die Geschichte der Fliesen bis ins 16. Jahrhundert.“
Historische Zeugnisse aus Keramik: 2. Fliesenkonferenz im Nissenhaus
von Christine Ax | Jun 3, 2019 | Kultur | 0 Kommentare
