Teil drei der Serie zur Kommunalwahl im Mai. Was bewegt die Wähler und was sollte ein zukünftiger Bürgermeister / eine zukünftige Bürgermeisterin konkret angehen? Die Wählerschaft mag unterschiedliche Forderungen stellen. Eine wird mit Sicherheit bei fast allen Wahlberechtigten ganz oben stehen: Die kommunale Wirtschaft muss gestärkt, Arbeitsplätze müssen geschaffen werden. Finde ich auch. Allerdings schränke ich meinen Wunsch etwas ein: Es gilt, die Wirtschaft außerhalb des Tourismus zu fördern. Dieses Thema ist so wichtig, dass die Kandidaten gut daran tun, sich bereits vor der Wahl konkrete Vorstellungen zu machen. Noch besser wäre ein konkreter Plan zur kommunalen Wirtschaftsförderung.
Arbeitsplätze gehen immer
Bevor ich aufzeigen werde, wie eine solche kommunale Wirtschaftsförderung aussehen könnte, möchte ich kurz aufzeigen, weshalb das Thema so wichtig ist. Klar, Arbeitsplätze, Steuereinnahmen und so. Für die Ausarbeitung eines wirkungsvollen Planes reicht das aber noch nicht. Denn auf dieser Ebene schwadronieren viele Politiker und erreichen damit nichts. Gar nichts.
Denn eigentlich kann der Staat, das Land oder eine Stadt nur sehr wenig dazu beitragen, dass die Wirtschaft ins Rollen kommt. Wie wenig, hat die ehemalige DDR erfolgreich bewiesen. Wirtschaft funktioniert privat. Die Politik hat lediglich dafür zu sorgen, dass das Umfeld geeignet ist, private Initiative entstehen und gedeihen zu lassen.
Wie gesagt, hat schon ein Staat wenig Möglichkeiten, nachhaltig auf die Wirtschaftsentwicklung einzuwirken. Bei einer kleinen, armen Kommune wie Friedrichstadt, sind diese Möglichkeiten noch sehr viel bescheidener. Gerade deshalb braucht man einen Plan. Einen guten Plan mit einer klaren Zielsetzung und einer guten Idee, wie man sie erreichen kann.
Das Ziel der Friedrichstädter Wirtschaftspolitik
In unserem Fall ergibt sich das Ziel praktisch von alleine. Warum? Weil Friedrichstadt uns wortwörtlich wegstirbt. Die Altersstruktur der Stadt ist extrem ungünstig. Das hat bereits heute Folgen und diese werden zukünftig immer deutlicher spürbar: Keine Gesellschaft lässt sich auf Dauer nur mit Rentnern aufrechterhalten. Es braucht Junge, um die Infrastruktur zu unterhalten, die Alten zu pflegen und das Ganze am Ende auch noch zu finanzieren. Diese Generation fehlt der Stadt. Ursache sind fehlende Ausbildungsmöglichkeiten jenseits von Einzelhandel und Tourismus. Und ein Mangel an gut bezahlten Arbeitsstellen im Dienstleistungsgewerbe.
Es ist deshalb sinnvoll, sich bei der Zielsetzung auf diese Generation zu fokussieren:
- Friedrichstädter Jugendliche sollen die Möglichkeit haben, zukunftssichere und attraktive Ausbildungen in der Region zu machen – ohne Zwang dafür wegziehen zu müssen.
- Qualifizierte Arbeitskräfte im Alter von 25 bis 40 sollen in Friedrichstadt und Umgebung attraktive Arbeitsplätze in der Industrie und dem Dienstleistungsgewerbe vorfinden.
Alle Maßnahmen eines Wirtschaftsplanes müssen danach darauf geprüft werden, ob sie vorwiegend diesen beiden Zielen gerecht werden. Wenn nicht, haben sie zu unterbleiben. Nicht weil andere Ziele falsch wären, sondern weil wir nicht genug Kraft haben auf allen Hochzeiten zu tanzen.
Das bedeutet natürlich nicht, dass ältere und weniger qualifizierte Mitarbeiter/innen weniger wert wären. Wir setzen lediglich Prioritäten. Ganz nebenbei profitieren diese Menschen im Zuge einer positiven wirtschaftlichen Entwicklung selbstverständlich auch.
Was kann mit einer kommunalen Wirtschaftsförderung schon erreicht werden?
Die Frage ist berechtigt. Sie gilt aber nicht nur für die kommunale Wirtschaftsförderung, sondern für Wirtschaftsförderung generell. Die Bevölkerung überschätzt die Wirkung der Förderung massiv und ist entsprechend enttäuscht, wenn sich die geweckten Hoffnungen in Luft auflösen.
Natürlich kann in Infrastrukturprojekte investiert werden. Jede prosperierende Wirtschaft basiert auf einer soliden und sicheren Infrastruktur. Dazu zählen die Versorgung mit Energie, die verkehrstechnische Erschließung und die Anbindung ans globale Datennetz. Und zwar in seiner leistungsstärksten Form. Siehe dazu auch → schnelles Internet für Friedrichstadt.
Wir sehen: die Möglichkeiten der kommunalen Wirtschaftsförderung sind eng begrenzt. Bei der aktuellen Kassenlage von Friedrichstadt erst recht. Immerhin bietet sich beim schnellen Internet die Möglichkeit, die Situation mithilfe der Bürger zu verbessern. Dazu muss aber – gerade wegen des eher älteren Zielpublikums – viel Überzeugungsarbeit geleistet werden.
In allen anderen Bereichen hat die kommunale Wirtschaftsförderung in unserer Stadt weder Mittel noch Möglichkeiten etwas zu bewirken. Muss sie auch nicht, um die Ziele zu erreichen.
Kommunale Wirtschaftsförderung ist ein Nullsummenspiel
Denn die kommunale Wirtschaftsförderung ist in erster Linie ein Standortmarketing. Mit anderen Worten: Umverteilung. Man schafft nichts Neues, sondern schichtet um. Diese Umverteilung findet schon heute statt – allerdings einseitig zulasten von Provinzstädtchen wie Friedrichstadt. Deshalb fehlt uns ja die mittlere Generation. Neu ist, dass wir zurückschlagen. Uns ein Stück vom Kuchen der anderen sichern. Das muss man wissen, wenn man erfolgreich bestehen will.
Man könnte das zum Beispiel tun, indem man die Gewerbesteuer massiv senkt. Es gibt Beispiele von Gemeinden, bei denen das wunderbar funktioniert hat.
Persönlich finde ich das eine idiotische Strategie. Sie mag für einzelne Kommunen zu funktionieren. Insgesamt ist es jedoch der Einstieg in eine Todesspirale nach unten, an deren Ende die Gesellschaft als Ganzes verliert. Außerdem ist der Weg fantasielos – und gerade deshalb so beliebt.
Für Friedrichstadt ist das so oder so nicht der richtige Weg. Denn er entspricht nicht der oben gesetzten Zielsetzung. Diese Form der kommunalen Wirtschaftsförderung bringt uns keinen einzigen jungen Menschen nach Friedrichstadt. Im besten Fall und auch das nur mit viel, viel Glück, stirbt die Stadt am Ende einfach reich, statt arm. Das kann nicht der Sinn der Sache sein.
Werben mit den Pfunden, die man tatsächlich hat
Standortmarketing muss sich deshalb in meinen Augen darauf konzentrieren, kleine Unternehmen in die Stadt zu bringen. Nicht durch den Anreiz von tiefen Steuern (es reicht, wenn diese nicht höher sind als bei vergleichbaren Standorten), sondern durch die offensichtlichen Standortvorteile, welche Friedrichstadt zu bieten hat:
- Tiefe Lebenshaltungskosten
- Eine hohe Lebensqualität
- Ein sicheres Umfeld für junge Familien mit Kindern
- Eine gute Infrastruktur (bezogen auf die Größe der Stadt)
- Die Nähe zu Natur, Meer und vielen Freizeitmöglichkeiten
- Bezahlbare Wohn- & Geschäftsräume
Wir sollten gezielt Jungunternehmer/innen und solche, welche es werden wollen, ansprechen. Oder Freelancer in Medienberufen. Oder Arbeitnehmer, welche eine Firma in Deutschland oder Europa vertreten, die sie nur einmal im Jahr sehen.
Wir sollten nicht um Touristen werben, sondern um qualifizierte Arbeitskräfte
Viele dieser potenziellen Neubürger leben in Großstädten wie Berlin oder Hamburg. Die haben uns gar nicht auf dem Radar. Die meisten werden auch nicht interessiert sein, in die Provinz zu ziehen. Aber das ist ganz und gar egal, denn wir brauchen ja nicht Tausende, sondern ein paar Dutzend. Und sollte uns dieses Manöver gelingen, werden diese Zuzügler dafür sorgen, dass weitere ihrem Beispiel folgen.
Aber alleine mit Selbstständigen ist es nicht getan. Wir brauchen auch andere qualifizierte MitarbeiterInnen. Denn ohne die Aussicht qualifiziertes Personal zu finden, wird das nichts mit dem Wirtschaftsstandort Friedrichstadt. Dies ist ein echter Flaschenhals, den man angehen muss. Auch dies, indem man die hohe Lebensqualität der Region als Argument aktiv bewirbt, um so überhaupt in Betracht gezogen zu werden, wenn jemand die Schnauze voll hat von Lärm, Verkehr und Kriminalität in den Großstädten (welche ehrlich gesagt nicht so groß ist, aber wir wollen ja Werbung machen).
Es gilt, Hindernisse aus dem Weg zu räumen
Eine gelungene kommunale Wirtschaftsförderung sorgt also erst für die notwendige Infrastruktur (schnelles Internet). Dann spricht sie die Zielgruppe gezielt an und zeigt ihnen die Standortvorteile von Friedrichstadt und Umgebung auf. Damit es aber eine Erfolgsgeschichte wird, muss nun der innere Widerstand der Interessenten aufgebrochen werden. Indem man jede/n Einzelne/n (!) von ihnen an die Hand nimmt und ihr/ihm jedes noch so lächerliche Hindernis aus dem Weg räumt:
Etwa indem man ein online zugängliches Register von leer stehenden Wohnungen, Häusern, Geschäftsräumen führt. Tagesaktuell und mit funktionierenden Kontaktdaten.
Indem man Zuzugswilligen einen Conciergeservice anbietet. Das mag für eine Stadtverwaltung fremd klingen, aber es könnte ein echter Erfolgsfaktor sein, wenn man sich als echte Dienstleister sieht und die Interessenten freundlich und engagiert durch alle Prozesse führt und ihnen die Angst vor dem Neuen nimmt.
Und jetzt kommt es knüppeldick: All das ohne Gebühren, ohne Verwaltungsgedöns und ohne Antragsformulare, also formlos. Wir müssen alles tun, um das Gefühl von Liebe auf den ersten Blick zu erzeugen.