Das Titelbild ist von IKEA geklaut!
Lebendiger Adventskalender Ausgabe 2020 (faktisch) verboten
Das ging aber schnell: der Friedrichstadts lebendiger Adventskalender Ausgabe 2020 ist bereits Geschichte, bevor sich das erste Fensterchen überhaupt geöffnet hat. Zugegeben, so ganz neu ist diese Erfahrung für mich nicht, denn schon als Kind habe ich den Adventskaleder bereits, sagen wir einmal, frühzeitig seiner Geheimnisse beraubt. Dass der Spaß aber schon 5 Tage vor dem Beginn zu Ende ist, kann auch bei mir als überraschend neu verbucht werden. Der Grund, wir ahnen es: Corona!
So ganz überraschend kommt diese Absage nicht. Denn Hand aufs Herz: Wenn die Obrigkeit befindet, man müsse in Friedrichstadt die Prinzenstraße, den Markt, die Kirchstraße und die Prinzessstraße mit einer Maskenpflicht belegen, dann ist es nicht mehr als konsequent, wenn man an auch das Publikumsmagnet lebendiger Adventskalender als Brutstädte von Seuche und Gefahr ausmacht. Denn drei Personen aus maximal zwei verschiedenen Haushalten, welche mit Mund- Nasenschutz und gebührendem Abstand einem Adventskalenderfensterchen einen Besuch abstatten (ohne das Haus zu betreten, versteht sich), stellen ein vergleichsweise gigantisches Gefahrenpotenzial dar: Soviel Kontakt findet man im November in den Geschäftsstraßen von Friedrichstadt nirgends.
Konsequentes Handeln auf allen Ebenen
Ich habe also volles Verständnis dafür, dass die Rechtsabteilung nicht wahllos nach Augenmaß entscheidet, sondern nach objektiven und wissenschaftlich fundierten Kriterien.
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Ich bin der führungsstarken Regierung dankbar, dass sie den Bevölkerungsschutz so ernst nimmt. Nicht auszudenken was geschehen würde, wenn sich die Teilnehmer des lebendigen Adventskalenders in einem unbeobachteten Moment die Maske vom Gesicht reißen würde und sagen wir einem „Oh wie ist das schön!“ singen würden.
Warum nicht noch ein Schritt weiter?
Ich hätte da noch einen Vorschlag, wie wir die Sicherheit der Bevölkerung in Friedrichstadt zusätzlich zur Absage des lebendigen Adventskalender weiter schützen könnten: Wir fackeln den Weihnachtsbaum auf dem Markt ab. Damit würde man gleich zwei Fliegen auf einen Schlag erledigen:
- Es würde damit verhindert, dass sich die Massen zusammenrotten, um aus niederen nostalgischen Beweggründen um den Baum zu tanzen und besinnliche Weihnachtslieder zu singen. Singen ist bekanntlich das gefährlichste, was Otto-Normalverbraucher in diesen Tagen tun kann.
- Durch das Feuer würde die heiße Luft nach oben getrieben und kalte Luftmassen aus der Umgebung nachziehen. Wie wir alle wissen, fühlen sich die Covid-19 Viren genau in diesen kühlen Luftschichten besonders wohl. Wenn Sie nun vom Sog ins Feuer gezogen werden, ist es aus mit ihnen. Sie verbrennen sofort. Der schwer kontaminierte Markt wäre innerhalb weniger Minuten desinfiziert.
Ich bin ungerecht
Wie immer, bin ich ungerecht. Denn zum einen wurde der lebendige Adventskalender nicht wirklich verboten. Der Kreis hat lediglich dafür gesorgt, dass die Last der Verantwortung für die Organisatorin so nicht zu tragen ist. Ist ein kleiner, aber wesentlicher Unterschied, welcher an der Tatsache aber nichts ändert, dass er deshalb nicht stattfinden kann.
Zum andern liegt es an uns, wie wir mit dieser Situation umgehen. Der lebendige Adventskalender in seiner geplanten Form wäre ein Zeichen gewesen, dass man sich von einem gemeinschaftlichen Problem nicht unterkriegen lassen soll, sondern es gemeinschaftlich bewältigt. Diese Gemeinsamkeit sieht man in diesen Tagen immer wieder. Leider – obiges Beispiel zeigt – nur in seiner verantwortungs- und respektlosen Form. Es kann nicht sein, dass wir Zusammenstehen nur noch dann kennen, wenn wir dagegen protestieren, dass zur Bewältigung der Pandemie Massnahmen ergriffen werden, die möglicherweise unbequem sind. Der lebendige Adventskalender hingegen war ein Symbol für das Gemeinsame, das Befürwortende und das nicht Aufgeben. Wenn einem Weihnachten und die Idee, welche dahinter steht, wichtig ist, muss man auch dafür einstehen. Möglicherweise in einer angemessenen, in einer anpassten Form, aber mit höchster Überzeugung.
Der lebendige Adventskalender findet in diesem Jahr nicht statt. Zumidest nicht als Ort der Begegnung. Aber er wird in anderer, in einer stillen Form trotzdem zelebriert. Die Fenster werden trotzdem dekoriert und statt der persönlich überbrachten Botschaft, gibt es kleine Weihnachtsbriefe für die Teilnehmenden.
Die Idee ist stärker als de Virus und wichtiger als die Feierlichkeit an sich. Solange die Idee nicht stirbt, spielt es auch keine Rolle, ob es dieses Jahr keine Adventszeit und keine klassische Weihnachtsfeier gibt. Solch Äußerlichkeiten kann man nachholen, ausfallen lassen und nächstes Jahr wieder reloaden. Aber ist die Idee erst einmal gestorben, ist es vorbei mit der Freude.
Nachtrag:
Falls Sie es nicht selbst gemerkt haben sollten: Dieser Text spiegelt nicht die Meinung des Autors wider. Dieser ist nämlich der Meinung, dass man entweder das Ganze aufgibt und die Folgen akzeptiert oder glaubwürdige Maßnahmen trifft und diese auch durchzieht. Mit Inkonsequenz und komödiantischen Alibiaktionen verspielt man wertvolle Zeit, Vertrauen und die Bereitschaft der Bevölkerung die notwendigen Lasten zu schultern.
Natürlich ist die Idee stärker als das Virus!
Speist sie sich doch aus der dem Menschen angeborenen Sehnsucht nach Gemeinschaft. Aus dem tief in ihn eingepflanzten Bedürfnis, Verbindung auszudrücken. Vielleicht sogar Liebe? Klingt ein wenig übertrieben und anmaßend, aber eigentlich empfinde ich es schon so.
Gut, bleiben wir erstmal dabei, dass wir so gerne ein wenig Freude vorbeigebracht hätten.
Das tun wir ja auch noch in ganz bescheidenem Maß in Form kleiner Überraschungsbriefe.
Aber da heute der 1. Advent gefeiert wird, erlaube ich mir, verbunden mit vielen guten Wünschen für eine friedliche Adventszeit, noch ein, wie ich finde, sehr schönes, Hoffnung spendendes Gedicht hinzuzufügen.
Vielleicht macht es der einen oder dem anderen ja auch ein wenig Freude.
Trigonometrie der Sphären
Im Trauerjahr
setzte der Großvater
das Klavier auf den Boden
und er holte es
nie mehr herab
Mit einem messingnen Fernrohr
erforscht er dafür jetzt
die Zirkelpfade des Himmels
Sein Logbuch vermerkt
einen geschweiften Kometen
und den kategorischen Satz
der Mond sei ein Kunstwerk der Erde
Von ihm weiß ich auch
daß dort wo die Nacht sich wendet
ein Heiliger sitzt
und brüllt wie ein Löwe
Und vergiß nicht sagte er einmal
aus dem Sternzeichen des Widders
trägt der Nordwind das Licht
in die Apfelbäume.
(Winfried Georg Sebald)