Liebesbriefe (wie) Hausgemacht
Neulich hat der Deutschlandfunk ein Interview mit Hans-Christian Ströbele, dem ehemaligen Bundestagsabgeordneten der Grünen, ausgestrahlt. In der Reihe „Zeitzeugen“ wurde Ströbele über seine Zeit und seine Rolle während den 68er Studentenunruhen, den RAF Prozessen und natürlich den Jahren im Bundestag befragt. Jede dieser Geschichten wäre genug für ein ganzes Leben. Und trotzdem war es nicht das, was mich am meisten elektrisiert hat. Am aufregendsten fand ich die kleine Nebengeschichte, dass Ströbele während seines Wehrdienstes Liebesbriefe geschrieben hat.
Die romantische Seite des Wehrdienstes
Ich war auch beim Bund. Widerwillig. Aber zum Verweigern war ich damals zu feige. Heute hätte ich den Mut. Allerdings behaupte ich heute auch, ich hätte mich damals den Nazis entgegengestellt. In der theoretischen Nachbetrachtung sehen die Dinge immer viel einfacher aus. Aber ich schweife ab.
Ich war auch beim Bund. Widerwillig und unter großem psychischem Leiden. In dieser Zeit habe ich viel geschrieben. Auch viele Liebesbriefe. Das Liebesbriefschreiben war quasi meine Strategie, dem militärischen Irrsinn zu entrinnen. Ich war ziemlich bekannt dafür, dass ich so viel geschrieben und auch viel Geschriebenes erhalten habe.
Ströbele war offenbar auch bekannt dafür, viel geschrieben zu haben. Allerdings weniger für seine eigenen Schriftverkehr, sondern für jenen, den er im Auftrage seiner Kameraden erledigt hat. Quasi Ghostwriter. Darunter sollen, nach eigener Aussage, auch Liebesbriefe gewesen sein. Auch für ihn war das Schreiben schlussendlich ein Art Überlebensstrategie, hat sie doch dazu geführt, dass er zum Vertrauensmann des Bataillons gewählt wurde. Eine Funktion, welche ihm gewisse Privilegien und damit eine geschützte Nische im Wahnsinn verschafft hat.
Gibt es eigentlich noch Liebesbriefe?
Heutzutage bringt vermutlich niemand mehr die Geduld auf, einen Liebesbrief sorgfältig zu formulieren, ihn sauber niederzuschreiben. Ihn noch einmal niederzuschreiben, weil er beim ersten Mal schriftbildmäßig oder orthographisch irgendwie nicht genügt hatte. Dann zur Post zu tragen (oder doch heimlich in den Briefkasten zu stecken). Sich zwei Tage zu gedulden, bis der Brief die Adressatin (oder den Adressaten) erreicht hat. Dann weitere zwei Tage auf eine Reaktion zu warten. Und noch einmal zwei Tage – warum dauert das so lange, habe ich etwas falsch gemacht? – zu warten. Um dann schließlich vom Glück übermannt, endlich das Antwortschreiben in den Händen zu halten.
Die Poesie der Messenger
Gibt es in Zeiten von WhatsApp überhaupt noch Liebesbriefe? Schreibt man heute noch von großen Gefühlen oder beschränkt man sich auf ein paar praktische Abkürzungen, einige vorgefertigte Emojis und ein lustiges Gif? Und wie kommt eine solche Botschaft rüber, wenn man keine Satzzeichen mehr verwenden kann?
Für die Jüngeren unter den Lesern: Mit geschickt gesetzten Satzzeichen konnte man in der alten Welt ganze Gefühlswelten ausdrücken, verbergen oder im Halbzweifel lassen.
Ein Angebot an alle Friedrichstädter
Sollte es noch Satzzeichen – äh – Liebesbriefe geben, so würde ich liebend gerne in die Rolle des Hans-Christian Ströbele schlüpfen und bei Bedarf als Ghostwriter amten. Wenn Sie also einem anderen Menschen auf diesem Wege etwas mitteilen wollen, ihre sprachliche Eleganz durch das Hinzuziehen einer Drittmeinung an Ausdruckstärke gewinnen könnte, dann wenden Sie sich vertrauensvoll an mich. Ich helfe gerne. Und ich bin diskret. Schließlich habe ich schon bei einer Schweizer Bank gearbeitet.
Damit wir uns nicht missverstehen: Meine Fähigkeit Liebesbriefe zu formulieren hat jetzt nichts mit meiner Vergangenheit bei einer Schweizer Bank zu tun. Wohl aber die Gewohnheit, den Inhalt für mich zu behalten…
Es gibt noch anderen Schreibkram
Vielleicht haben Sie es bemerkt. Ich zweifle etwas daran, ob meine Dienste als Ghostwriter in Friedrichstädter Liebesdingen tatsächlich noch gefragt sind. In Zeiten, in denen man seine neue Freundin auf Tinder oder Ebay Kleinanzeigen sucht und ihr per WhatsApp einen Heiratsantrag in fünf Zeichen und zwölf Emojis unterbreitet, sind lange Liebesbriefe vermutlich nicht mehr so en vogue. Aber wenn doch, dann wissen Sie ja, wo Sie mich finden können.
Vielleicht haben Sie aber auch etwas anderes zu schreiben. Etwa einen Antrag an ein Amt, eine Kündigung, ein Bewerbungsschreiben oder sonst etwas, was Ihnen schwerfällt. In diesen Fällen stelle ich Ihnen meine Hilfe ebenfalls zur Verfügung. Wenn ich Ihnen helfen kann, dann tue ich das gerne. Wenn nicht, zeige ich Ihnen, wo Sie Hilfe bekommen.
Das Einzige was Sie dafür tun müssen, ist bei mir im Haus zu den drei Rosen, am Markt 22 vorbeizukommen. Und keine Bange, es kostet nichts. Vermutlich können Sie nämlich auch eine ganze Menge Dinge, welche mir mangels Übung oder Talent verschlossen, bleiben. Wir helfen uns also gegenseitig. Irgendwann, wenn die Zeit gekommen ist. Also haben Sie keine Hemmungen. Kommen Sie einfach vorbei.
P.S. Das Prinzip, sich bei Bedarf gegenseitig zu helfen, funktioniert auch auf anderen Ebenen. Entweder einfach so oder im Rahmen der Friedrichstädter Zeittauschbörse.
Jetze!
Er hat sie lieb!
Hat sie ihn lieb?
Da muss wohl her
ein Liebesschrieb
zu klären diese Frage.
Doch, ist er in der Lage?
Papier und Tinte steh’n bereit,
der Füller aus der alten Zeit,
noch fehlt’s an richtigem Geleit.
Nun müht er sich seit vielen Stunden,
ringt mit den Worten,
schwer geschunden.
Der Reime Schleimigkeit
erzeugt schrecklich Peinlichkeit:
Auf Herz folgt Terz,
auf Schmerz ’n Scherz
auf Liebe? Hiebe-
geht‘ s insgesamt zu sehr um Triebe?
Die Sonne, zuverlässig, munter
geht wie der Mond
brav auf und unter.
So zieh’n die Jahre still vorbei,
auf dem Papier mal nix, mal Einheitsbrei.
Doch eines Tages ist’s soweit,
im Dämmerlicht ist er bereit.
Der Brief, perfekt, er ist geschrieben.
Er weiß, sie wird ihn dafür lieben!
Noch schnell ein Düftchen aufgetupft,
beim Nachbarn frech ne Ros‘ gerupft,
was kommt er sich verwegen vor,
der arme, feige, alte Tor.
Es ist arg spät, im Abendrot
ein greiser Mann
das Mädel tot.
Danke! Ich bin hingerissen!