Der Tourismusstandort  Friedrichstadt vor schwierigen Zeiten

Luxus geht immer

Viele Haushalte leiden unter den gestiegenen Preisen für Energie, Lebensmittel und andere Dinge des täglichen Bedarfs. Besonders schmerzhaft ist diese Entwicklung aber für jene, welche mit ihrem Geld bisher gerade so ausgekommen sind.

Was sind schon 100 Euro…

Wer ein Leben lang gearbeitet und dabei einen ordentlichen Verdienst erzielt hat, der ausgereicht hat sich etwas Luxus zu leisten und trotzdem den einen oder anderen Groschen zur Seite zu legen, mag sich ein Leben in Armut nicht vorstellen. Dabei kann diese nicht selten näherliegen als man vielleicht vermutet.

Spätestens wenn sich mit dem Eintritt in den Ruhestand das verbliebene Einkommen an der Kante des finanziellen Bedarfs bewegt, kann man die bittere Erfahrung machen, wie entscheidend es ist, ob man einen Hunderter mehr oder einen Hunderter weniger in seiner Brieftasche hat.

Als Finanzplaner muss ich Ihnen sagen: 100 Euro sind in dieser Lebenssituation ein Vermögen, welches eine scharfe Grenze zwischen einem sorglosen Leben und der Angst vor dem finanziellen Abgrund bildet.

Sie werden vielleicht kaum glauben können, wie viele Menschen sich in genau dieser Lage befinden.

Die Preise steigen

Wenn die Preise steigen, exakt so wie wir das im Moment erleben, hat das denselben Effekt wie der Entzug eines Hunderteuroscheines. Mit etwas Glück wird das Geld nun am Ende des Monates knapp. Mit Pech schon in der Mitte.

Auch Menschen, welche zuvor vielleicht nicht jeden Euro zweimal umdrehen mussten, gelangen nun angesichts gestiegener Energie- und Lebensmittelpreise in finanzielle Regionen, in denen sie beginnen, sich ihre Ausgaben gut zu überlegen. Jene variablen Ausgaben, über welche man sich zuvor noch keine Gedanken gemacht hat, erreichen nun den Rang eines Entscheides. Und nicht jeder dieser Entscheide wird zukünftig in einem „Ja!“ münden. Und je länger die Phase erhöhter Inflation dauert, desto mehr Menschen sind davon betroffen, desto mehr nistet sich das Bewusstsein in den Köpfen der Leute ein, dass das Geld immer weniger wert ist.

Friedrichstadt und die Inflation

Auf Sylt und in Sankt Peter Ording, wo sich Gäste tummeln, deren dringenstes Problem aktuell ist, dass sich die Lieferfrist für den neuen TESLA immer weiter hinauszieht, mag eine solche Entwicklung keine Rolle spielen. Aber in Friedrichstadt, einem Örtchen, das ein Publikum anspricht, welches einkommenstechnisch im Schnitt eher am unteren Ende der Skala einzuordnen ist, hat eine solche Entwicklung auf Dauer vermutlich dramatische Konsequenzen.

Nicht, dass die Gäste zukünftig darauf verzichten werden, sich den Bauch mit Eis, Kuchen und Pommes zu füllen. Essen geht immer, denn es ist die beste Möglichkeit, die bleierne Langeweile eines Urlaubs zu vertreiben.

Weniger optimistisch dürften jene Gewerbetreibenden der beginnenden Saison entgegensehen, welche – sagen wir einmal – Lässliches im Angebot führen. Nippes, den man eigentlich nicht braucht oder Teures, welches sich ohne großen Aufwand durch Billiges ersetzen lässt. Der Spruch „Luxus geht immer!“ mag in besagten Highend Destinationen auf Sylt oder, mit Abstrichen, Sankt Peter Ording seine Berechtigung haben. Aber hier zwischen Eider und Treene ist dieses Publikum kaum zu finden.

Wie man sich bettet, so liegt man

Natürlich ist das auch die Folge der fehlenden Küstenlage. Meerblick geht ebenfalls immer. Aber dies ist nicht der einzige Grund. Denn es wäre angesichts der zweifelsohne reizvollen Umgebung durchaus möglich, im Fahrwasser von Sylt und SPO ein attraktives, da zahlungskräftiges Publikum anzusprechen.

Ob Unfähigkeit oder Desinteresse: Die Low-End Positionierung der Stadt im Markt für Feriengäste hat ihre Wurzeln. Denn wie man sich bettet, so liegt man. In anderen Städten wird zum Beispiel ein schöner Marktplatz, wie ihn Friedrichstadt ohne jeden Zweifel besitzt, herausgeputzt. In unserer Stadt ist er ein Ort, welcher einen zu Tränen rührt. Aber leider sind es keine Freudentränen.

Über den eklatanten Mangel an hochwertiger Gastronomie wurde nicht nur hier auf 1621.sh schon oft gesprochen. Geändert hat sich dadurch aber nichts. Zumindest nicht im positiven Sinne. Kann sich auch nicht, wenn gerade den einheimischen Hausbesitzern das schnelle Geld wichtiger ist als die Weiterentwicklung des Standortes. Nur, wenn man nicht in die Infrastruktur investiert, steht man am Ende mit einer Frittenbude an allerbester Lage da, statt einem Restaurant, welches gut zahlenden Gästen Wertiges zu bieten hat (Was übrigens keine Kritik an den Betreibern der Frittenbude sein soll. Weshalb sollten die eine ihnen gebotene Chance nicht nutzen?).

Friedrichstadt das Holländerstädtchen

Natürlich liegt die Malaise nicht allein an Hausbesitzern, welche sich schwer damit tun, in die Zukunft zu investieren. Auch der Tourismus muss sich vorwerfen lassen, dass er es versäumt hat, die hübsche Kulisse dazu zu nutzen, hochwertige Angebote zu entwickeln. Damit ist ausnahmsweise übrigens nicht der Tourismusverein gemeint, denn der ist ein Vermarkter und kein Anbieter.

Im Jahr 2022 reicht es einfach nicht mehr, wenn sich das Angebot lediglich auf eine 400-jährigen Geschichte stützt. Zahlungskräftiges Publikum erwartet, dass es für sein Geld mehr erhält als ein paar nette visuelle Eindrücke, die man sich in ähnlicher Form auch im Internet abholen kann.

Die wirtschaftlichen Einschläge kommen näher

Gerade in Schleswig-Holstein sind wir es gewohnt, gebetene oder auch ungebetene Gäste schon lange vor ihrer Ankunft zu erblicken. Das gilt leider auch für die Wirtschaftskrise von morgen, welche man bereits heute am Horizont aufziehen sieht. Dann werden nicht nur die bereits jetzt arg gebeutelten Einkommensschichten unter Druck geraten, sondern auch die darüber liegenden.

Die Kombination von steigenden Preisen und der Angst um den eigenen Job wird sich negativ auf die Bereitschaft auswirken, es sich im Urlaub richtig gut gehen zu lassen. Zumindest im Sinne von besinnungslosem Konsum. Das mag die Urlaubsreise wieder jenem Ziel näherbringen, für das sie mal gedacht war: der Erholung. Für das im Tourismus tätige Gewerbe ist dies jedoch eine gefährliche Entwicklung.

Wenn das Geld knapp wird und die Menschen jeden Euro mehr als zweimal umdrehen, wird den Kampf um das begehrte Reisegeld jener gewinnen, welcher das überzeugendste Angebot macht. Mit leckerem Eis mag man da auch in solchen Zeiten noch gute Karten haben. Aber alles, was darüber hinausgeht, wird schwierig.

Jetzt wäre deshalb der richtige Zeitpunkt, sich vom reinen Massengeschäft zu verabschieden und sich mehr in Richtung Wertigkeit und Erlebniskultur zu entwickeln. Oder anders ausgedrückt: Es sollte nicht das Ziel sein, mehr und mehr Gäste zu bedienen und damit das zu zerstören, was Friedrichstadt ausmacht. Wir brauchen nicht mehr Parkplätze, sondern bessere Inhalte und Ideen, damit wir in einer höheren Liga mitspielen dürfen.