Das Rathaus hat sich jüngst mit einem Schreiben an die Besitzer der „Giebelhäuser“ gewandt. Es beklagt, dass nicht alle Giebelhäuser weihnachtlich beleuchtet sind und liefert die Lösung – ein Finanzierungsmodell – gleich mit. Aus dem Fördertopf der LAG Nordfriesland können 80 Prozent der Kosten (zwischen 8 000 und 10000 Euro) eingeworben werden, so dass für die Hausbesitzer nur noch ein bescheidener Eigenbeitrag von ca. 200 Euro übrig bleibt. Die Stadt bietet außerdem freundlicherweise an, die lästige Antragstellung zu übernehmen.
Gleichzeitig sucht die Stadt noch immer einen Pächter für die Kleingastronomie am Schwimmbad. Der letzte Pächter hat aufgegeben, weil sich das Geschäft nicht lohnt und er sich mit der Stadt in vielen Fragen nicht einigen konnte. Bisher hat noch niemand einen Plan was zu tun ist.
Die Finanzlage der Stadt ist, wie wir jüngst auf dieser Plattform lesen durften, eher bescheiden. Für Schleswig-Holsteiner Verhältnisse, liegt die Verschuldung über dem Durchschnitt.
Es gibt allerdings viele Gemeinden – zumal in NRW – denen es noch viel schlechter geht. Alle Kommunen in Deutschland fordern einen größeren Anteil an den öffentlichen Einnahmen. Und sie haben Recht: Die Lebensqualität der Menschen entscheidet sich ganz konkret vor Ort und auf der Bundesebene wird viel Geld sinnlos ausgegeben. Der Bund hat übrigens angekündigt, den Kommunen beim Abbau der Schulden zu helfen. Die Gespräche laufen. Wir dürfen hoffen. Und die Hoffnung stirb ja bekanntlich zuletzt.
Wir haben zwar keinen Einfluss auf den Bund aber wir haben Einfluss darauf, in welche Richtung sich die Stadt entwickelt. Und auch in diesem Kontext stellt sich wieder die Frage, ob es Sinn macht, alle intellektuellen Ressourcen in die Förderung des Tourismus zu stecken, oder ob wir nicht ENDLICH dazu übergehen könnten, die Alternativen, die es dazu gibt, in den Fokus zu nehmen.
Wir brauchen also einen Plan, der langfristig folgende Ziele verfolgt:
a) Unnötige Ausgaben unterlassen,
b) notwendige Ausgaben senken,
c) Investitionen in eine nachhaltige Entwicklung der Stadt und
d) private Investitionen in die Stadt zu fördern.
Wir brauchen schlichtweg mehr Unternehmen, die entweder hier vor Ort Wertschöpfung betreiben und exportieren und Dienstleister und Produzenten, die den regionalen Wirtschafts- und Geldkreislauf erhöhen: Aus der Region, für die Region. Am besten wäre es für den Wohlstand aller, wenn jeder Euro in der Region mindestens acht Mal den Besitzer wechselt, bevor er unsere Region verlässt.
Die Ausgabe der knappen Fördermittel aus dem Topf der LAG Nordfriesland für noch mehr Lichterketten rund ums Rathaus ist ein gutes Beispiel dafür, was wir WIRKLICH NICHT oder auch NICHT WIRKLICH brauchen.
Wie viel Licht brauchen wir in Friedrichstadt zu Weihnachten? Wann ist es genug?
Friedrichstadt ist eine kleine, und gerade auch deshalb besonders liebens-würdige Stadt. Unsere Stadt bezaubert, verzaubert durch ihr „menschliches“ Maß. Es sind die kleinen Häuser, die überschaubaren Wege und die kleinteiligen Proportionen und Ornamente, die Bänke vor der Tür und die Rosenstöcke, die die menschliche Hand und ihren Schönheits- und Ordnungssinn erkennen lassen. Dies alles ist nichts, was noch schöner wird, wenn man einen grellen Strahler darauf richtet. Grelles Licht gibt es auf dieser Welt schon mehr als genug.
Die menschliche Hand finden wir auch überall dort wieder, wo echte Menschen etwas echtes produzieren: In den Keramikwerkstätten, beim Bäcker und Fleischer, in den Konditoreien und in der Gastronomie (manchmal).
Mir scheint, dass Friedrichstadt weder Husum oder anderen großen Städte nacheifern muss, und dass es nicht passend ist, den Marktplatz sowie die angrenzenden Straßen in eine bunte (laute) Glitzerwelt zu verwandeln. Denn wozu soll das gut sein? Und was sagen wir eigentlich damit aus?
Eine Kerze in der Dunkelheit macht Mut, gibt Hoffnung, wärmt das Herz und führt uns den Unterschied zwischen dem Licht und der Dunkelheit eindringlich vor Augen. Eine zarte Lichterkette, die ein besonders schönes Detail beleuchtet, entzückt das Auge. Ein Platz, der rund herum beleuchtet ist, empfinde ich persönlich als aufdringlich und übertrieben. Wir haben schon so lange den spirituellen Aspekt der Weihnacht verdrängt. Es geht schon viel zu lange um Konsum und ums „immer mehr“. Wir brauchen einen Kulturwandel, denn unsere Kultur ist mit dieser Art von Steigerungslogik am Ende. Irgendwann muss es endlich genug sein. Wenn es in unserer Gesellschaft heute noch echten Mangel gibt, dann nur, weil wir das Teilen verlernt haben.
Aus grüner Perspektive ist zu dem LED-Wahnsinn, der in den letzten Jahren um sich gegriffen hat, vor allem dies zu sagen: Auch wenn LED weniger Strom verbraucht, hat genau das (der sinkende Stromverbrauch) dazu geführt, dass sich die Anzahl der Lampen und die Mengen an Leuchtmittel vervielfacht haben. LED-Leuchtmittel verbrauchen nicht nur Strom, sondern auch Ressourcen (Material). Bunte LED-Leuchtmittel enthalten zum Teil toxische Stoffe und seltener Erden, die erst der Erde entrissen und dann als Abfall aufwendig entsorgt werden müssen.
Licht in der Nacht ist für viele Insekten und vor allem auch für Menschen ein großes Problem. Es bringt Insekten in Gefahr und auch unsere „innere Uhr“ durcheinander.
Das Rathaus braucht daher nicht mehr LED-Lampen in seinem Umfeld sondern eine echte Erleuchtung. Unter anderem in Bezug auf die Frage, was mit der kleinen Gastronomie am Schwimmbad geschehen soll, die von vielen Besuchern des Freibades als ein echter Gewinn angesehen wurde. Es wäre doch in der Tat schade, wenn sich niemand findet, der diesen Ort sinnvoll und mit Gewinn bespielt. Damit wir im nächsten Sommer dort Pommes rot/weiß essen dürfen, ein Eis schlecken oder einen Kaffee trinken.
Was machen wir mit der kleinen Küche / Gastronomie am Schwimmbad?
Das unternehmerische Problem mit dieser kleinen Gaststätte liegt auf der Hand. Die Badesaison ist kurz. Das Wetter ist launisch. Personal ist teuer. Die Margen auf Getränke, Pommes, Wurst und Süßkram sind möglicherweise nicht schlecht, aber sie dürften unter diesen Rahmenbedingungen nicht die Personalkosten einspielen, die dort auch dann bezahlt werden müssen, wenn keine Gast da ist, oder das Wetter schlecht.
Offene Werkstatt
Dazu hätte ich einen Vorschlag. Und andere haben vielleicht auch Ideen? Denkbar wäre zum Beispiel: Dieser kleine Ort sollte ganzjährig „produktiv“ sein dürfen. Und zwar nicht nur in Bezug auf den Verkauf von Snacks, sondern vor allem als Produktionsstätte für die Weiterverarbeitung von Gemüse und Obst das hier in der Region erzeugt wird und / oder (besser noch) vor dem Wegwerfen gerettet werden muss. Da die Hygieneanforderungen an die Herstellung von Lebensmitteln zu Recht hoch sind, könnte dieser Ort auch stunden- und oder tageweise an Menschen verpachtet werden, die genau darauf Lust haben, aber keinen Raum: Die Produktion von Lebensmitteln oder Spezialitäten.. Dann wäre dieser Ort eine Art „offene Werkstatt“ für die Lebensmittelverarbeitung. Friedrichstadt könnte auch eine eigene Regionalmarke entwickeln und Marmeladen, Chutneys, Eingelegtes Gemüse, gedörrtes Gemüse und Obst, Saft, Fermentiertes verkaufen. Die Vermarktung könnten in Hoteliers, Restaurants, Cafés und Boutiquen stattfinden.
Kommunebrauerei
Bedauerlich ist in auch, dass der Plan eine kleine Kommunebrauerei in der Holmertorstrasse zu realisieren, von der Stadt und dem Kreis bisher nicht nur nicht gefördert, sondern tendenziell verhindert wird. Auch dies wäre ein kleiner weiterer Baustein für eine nachhaltigere wirtschaftliche Entwicklung.
Ein aktives Rathaus
Wir brauchen also im Rathaus Menschen, die mehr können, als öffentliche Gelder unproduktiv für noch mehr Schmuck auszugeben. Wir brauchen Menschen, die als Motoren gemeinsam mit Bürgerinnen die Maßnahmen und Projekte in die Hand nehmen, die die oben genannten Kriterien erfüllen. Friedrichstadt ist zwar derzeit noch vergleichsweise arm an „Barem“, aber Friedrichstadt ist reich an „Humankapital“ und „Sozialkapital.“ Hier leben viele BürgerInnen, die sich mit ihrer Expertise, ihrer Zeit, ihren Netzwerken und ggf. auch mit Investitionen einbringen wollen und können. Gemeinsam und anders wird manchmal ein schöner Schuh daraus.
Moin Christine, Du sprichst hier einen Punkt an, der sich durch alle Aspekte Deines Beitrages vordergründig und hintergründig zieht. Das Thema „Wettbewerb“… Das sich aktuell optisch natürlich deutlich in den „Beleuchtungsbemühungen“ der Stadt und der Bürger ausdrückt. Wir brauchen den Wettbewerb, aber nicht nach den Regeln anderer Kommunen und Städte sondern nach unseren eigenen Regeln. Wo andere Lärm machen, da können wir Ruhe, und Stille bieten. Wo andere Hektik veranstalten, haben wir Entspanntheit im Angebot. Wo andere auf den Massentourismus focussiert sind, können wir individuelles Entdecken anbieten… Wir müssen uns nur die Gegensatzpaare (es gibt viele mehr) wie vorab gezeigt, anschauen, dann wissen wir was wir hier „zu tun haben“. Aber wir müssen auch lernen, Dinge wie Stille, wie Qualität, wie Authenzität, Sorgfalt und Beschränkung auf das Wesentliche u.e.m. aushalten zu können. Bleiben wir beim Beispiel Licht zur Advents- und Winterzeit. Zum Glück gibt es den unseligen Wettbewerb „Alles sieht so festlich aus!“ nicht mehr. Was gut gemeint war, hatte sich in den 4 Jahren, die wir hier sind gefühlt fast zu einem kleinen Licht- und Fenster-Wettrüsten entwickelt. Wir sind den umgekehrten Weg gegangen. Ab 1. November weist nur noch das Kerzenlicht in einer Laterne, das wir zu Beginn der Dämmerung raushängen, auf unseren Wunsch nach innerem Licht hin. Einige andere machen das inzwischen auch, und das hat eine ganz andere Qualität, wenn man mal die Straße entlang guckt. Wir haben auch keine Weihnachtsdeko im Laden oder in den Fenstern – und bekommen von unseren BesucherInnen durchweg positive Rückmeldungen… Kleine feine Akzente sind mehr als das große Rauschen… Friedrichstadt könnte sich (nicht nur im Licht) eigentlich in vielen Dingen wohltuend von anderen Orten unterscheiden – ohne dass es viel kosten würde, mal ganz abgesehen von ökologischen Aspekten, die sich hier mit jeder Entscheidung auftun. Wir könnten ein Modellbeispiel für versuchte und gelebte Dezentralisierung werden, wenn wir, soweit es heute noch möglich ist, eine funktionierende Stadt- und Regionalökonomie aufbauen würden. (Ist ja nichts wirklich Neues, wenn man mal in die 400jährige Geschichte des Ortes schaut…)
Es darf nicht „Reduce to the Max“ (Auf das Maximum reduzieren) heißen, sondern erst einmal Less is more (Weniger ist mehr…), Wir müssen dabei generell weg vom „Copy and Paiste“ (Kopieren und ((leicht variiert)) Nachmachen). „Looking closer“ (mal näher hinschauen) wäre definitiv ein Einstieg. Und das „Geht nicht, haben wir alles schon probiert“ müsste dabei komplett aus dem Gegen-Argumente-Repertoire gestrichen werden… In diesem Sinne „auf ein Neues!“
Hallo Markus,
bin voll bei Dir. Wir brauchen mehr Herz und Herzblut und weniger 08/15 Geschichten. Niemandem ist gedient, wenn wir ständig anderen abschreiben. Das ständige Aufpimpen ist nicht die Lösung. Wir sollten es einmal mit Ideen versuchen und zwar mit eigenen…