Ein schwarzer Schwan wird kommen
Nach der Finanzkrise von 2008 war der von Nassim Nicholas Taleb eingeführte Begriff „Schwarzer Schwan“ (im Orginal „black swan“) in aller Munde. Er hat diesen Begriff in seinem 2001 erschienen Buch „Die Narren des Zufalls“ zum ersten Mal verwendet. Leider haben vermutlich die wenigsten Menschen dieses Buch gelesen, denn sie verwenden die Metapher meistens völlig falsch. Zumindest nicht im Sinne des Erfinders.
Einen schwarzen Schwan gab es nämlich in der Geschichte der Menschheit bis ans Ende des 17. Jahrhunderts gar nicht. Deshalb war es in dieser Zeit ein geflügeltes Wort, etwas als einen schwarzen Schwan zu bezeichnen, wenn man eigentlich sagen wollte, dass dies nicht möglich sei. Diese Formulierung geht übrigens zurück auf den römischen Dichter Juvenal, welcher seine liebe Frau einen schwarzen Schwan nannte und im gleichen Atemzug betonte, dass es keine treuen Ehefrauen gäbe.
Was nicht ist, kann auch nicht sein…
Taleb bezieht sich wiederum auf den niederländischen Seefahrer Willem de Vlamingh, welcher auf einer Entdeckungsreise im Jahres 1697 tatsächlich eine Entdeckung machte, als er in Australien völlig überraschend schwarze Schwäne sichtete… Entsprechend die die Metapher denn auch anzuwenden. Es sind Ereignisse, welche niemand vorsehen konnte, weil sie unvorstellbar waren. Bis sie eben doch auftraten.
Da man einen schwarzen Schwan per Definition von Nassim Nicholas Taleb nicht vorhersehen kann, er also ganz überraschend um die Ecke kommt, ist das Corona Virus kein solches Ereignis. Ganz im Gegenteil: Die WHO warnt schon seit Jahren vor einer weltweit auftretenden Pandemie und deren Folgen. Qualifizierte Staatslenker waren deshalb vorbereitet. Andere, wie etwa Donald Trump, glauben bis heute an einen schwarzen Schwan… (Lesen Sie dazu diesen Beitrag aus dem Berliner Tagesspiegel)
Vergesst den schwarzen Schwan – die wahre Gefahr liegt bei den grünen Schwänen
Aus meiner Heimatstadt Basel kommt eine beunruhigende Nachricht. Dort warnt nämlich die Bank für internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), vor dem sogenannten grünen Schwan. Grüne Schwäne sind das Gegenstück zu den schwarzen: Ereignisse, welche unvorstellbare Verwerfungen auslösen werden. Allerdings sind diese Risiken bekannt und offen sichtbar. In erster Linie ökologische Risiken, wie man aus der Wahl der Farbe unschwer erkennen kann.
Die BIZ dokumentiert diese Risiken (und ihren Einfluss auf die Stabilität der Finanzsysteme) in einer Schrift vom Januar („The green swan“ hier nachzulesen). Sie prophezeit für die Zukunft, dass Ereignisse in der Schuhgröße der Covid-19 Pandemie in immer häufigerer Abfolge auf uns zukommen. Jedes einzelne dieser zu erwartenden Ereignisse (Dürre, Stürme, Hitze, Hochwasser, Klimaverschiebungen, etc.) kommt mit einer Heftigkeit daher, welche die herkömmlichen Pläne und Strukturen überfordern werden. Neue Wege der Krisenbewältigung werden gefragt sein. Scheitern sie, ist nicht nur das Finanzsystem gefährdet, sondern auch die politische Stabilität in der betroffenen Region. Schöne Aussichten.
Jetzt ist die BIZ nicht ein linksgrüner Thinktank, welcher seine Daseinsberechtigung daraus zieht, ökologische Untergangszenarien zu zeichnen. Die BIZ ist vielmehr so etwas wie die Zentralbank der Zentralbanken. Eine internationale Institution, welche wahrlich nicht im Verdacht steht, grünes Gedankengut zu propagieren. Hier dreht sich im Gegenteil alles nur um Geld.
Zurück zu den grünen Schwänen
Die Covid-19 Krise hat dazu geführt, dass wir das Problem des Klimawandels und der mutwilligen Zerstörung unserer elementarsten Lebensgrundlage voll aus dem Fokus verloren haben. Das ist, bei aller Würdigung des Risikos dieser Pandemie, eine sehr gefährliche Entwicklung. Denn schon im Herbst, also dem offiziellen Ausbruch der Corona-Krise, war klar, dass die Zeit zum Gegensteuern davonläuft. Dass es knapp wird, um auch nur schon das Schlimmste zu verhindern.
Inzwischen verlieren wir weiter Zeit. Schlimmer noch: Wir verpulvern unglaublich viel Geld, um die Wirtschaft trotz Krise auf den Beinen zu halten. Geld, welches man noch vor einem halben Jahr nicht hatte, als es darum ging, die notwendigen Maßnahmen zum Klimaschutz zu finanzieren.
An der Bedeutung der Ereignisse kann es wohl nicht liegen. Denn beim Klimaschutz geht es nicht um den Erhalt von ein paar hunderttausend Menschenleben, sondern um Millionen. Langfristig sogar um den erhalt der Menschheit auf diesem Planeten.
Jetzt handeln oder später reagieren
Eigentlich wissen wir es alle. Selbst die Leugner des Klimawandels tun es. Das Klima wandelt sich und unsere Lebensbedingungen werden sich verändern. Die Frage ist doch nur, wie wir mit diesem Wissen umgehen.
Wollen wir einfach unseren aktuellen Status bewahren? Dann müssen wir auch akzeptieren, dass in Zukunft die Natur uns ihren Willen aufzwingt. Dann werden wir gezwungen sein, von Fall zu Fall auf grüne Schwäne zu reagieren. Das kostet zwar extrem viel Kraft und Geld und bringt absolut keinen Mehrwert. Aber hey, Hauptsache wir müssen heute unser Konsumverhalten nicht anpassen.
Alternativ könnten wir unseren Lebensstil vorbeugend den Erfordernissen anpassen. Damit müssten wir vermutlich an der einen oder anderen Stelle Abstriche in Kauf nehmen. Andererseits würden wir an vielen anderen Orten deutliche Gewinne machen. Etwa weil wir nicht mehr so unter Druck stünden, mehr Zeit hätten, gesünder leben würden. Oder einfach nur, weil eine ökologisch verantwortungsbewusste Landwirtschaft geschmackvollere Produkte hervorbringt. Stichwort Fleisch.
Was haben wir zu verlieren?
Alles! Der Umgang der Welt mit ihren natürlichen Ressourcen und dem Klima gleicht einem Pokerspiel. Wir gehen All-in, obwohl wir ganz genau wissen, dass wir ein mieses Blatt in der Hand haben. Das Problem: Die Umwelt lässt sich nicht bluffen.
Noch haben wir einen schmalen Grad der Gestaltungsfreiheit. Wir sollten unsere Lehre aus dem Lockdown ziehen: Weniger ist machbar. Es tut nicht weh, sondern allen gut. Diese Erkenntnis trifft viele wie ein schwarzer Schwan. Völlig unerwartet. Weniger ist möglich. Wir müssen nur dafür sorgen, dass dabei alle genug haben.
Liebe Daniel.Danke! Zutiefst wahr und wunderbar zusammengefasst. Ein Genuss zu lesen!