Nein, die Freiheit wird nicht am Hindukusch verteidigt

So viel Raum muss sein

Dachböden sind nicht nur ein willkommener Stauraum, sie sind (aus genau diesem Grund) auch ein wahrer Schatz, wenn es darum geht, einen Blick in die Vergangenheit zu werfen. Der Dachboden unseres Hauses Am Markt 22 war weitgehend leer, als wir es in unseren Besitz nahmen. Trotzdem machten wir dort eine erstaunliche Entdeckung: Auf dem Dachboden des Hinterhauses, welcher von der Küche aus nur über eine Leiter zu erreichen ist, fanden wir deutliche Zeichen dafür, dass dieser Raum einmal bewohnt gewesen sein muss. Eigentlich unvorstellbar, wenn man es gewohnt ist, auf zwei Beinen durchs Leben zu gehen…

Krieg bei uns war für mich bisher etwas Undenkbares

An seinem Erstaunen erkennt man leicht, dass der Schreibende aus einem Land stammt, welches den letzten Krieg in der Mitte des 19. Jahrhunderts erlebt hat. Wobei Krieg in diesem Zusammenhang ein großes Wort ist. „Eine gewalttätige Rauferei“ beschriebe den Konflikt deutlich besser. Sicher, man hat die Weltkriege nicht schadlos überstanden. Aber man war eben keine Kriegspartei, weshalb die Erinnerung an das Leiden, die Zerstörung, die Flüchtlingsströme weitaus weniger stark in den Köpfen verwurzelt ist als in jenen Ländern Europas, in denen die sinnlose Barbarei gewütet hat.

Es sei mir deshalb verziehen, dass ich diese Spuren nicht mit dem riesigen Flüchtlingsstrom von Ostvertriebenen in Verbindung bringen konnte, welcher sich ab 1943 in Richtung Westzone bewegte, um dort auf eine bereits schon arg gebeutelte Bevölkerung zu treffen. Harte Zeiten, in denen man das zu teilen hatte, was auch ohne Flüchtlinge als Folge des Krieges knapp war.

Der Dachboden ist heute keine Option (gottseidank)

Aktuell erleben wir wieder, wie sich eine große Zahl an Flüchtlingen auf den Weg macht. Noch ist nicht absehbar, wie viele es sein werden, welche als Folge des verbrecherischen Handelns der russischen Führung ihr Land verlassen haben oder es noch tun werden. Sicher ist, es werden viele sein. Aber genau so sicher ist, dass es uns heute, im Vergleich zu damals, deutlich leichter fällt, diese Massen aufzunehmen und unter anständigen Bedingungen unterzubringen. Auf den Dachboden unseres Hauses Am Markt 22 wird deshalb niemand ziehen müssen.

Ganz ohne Einschränkungen unseres persönlichen Freiraumes wird das aber nicht gehen. Denn es ist jetzt nicht so, dass wir in Deutschland 400.000 leerstehende Wohnungen hätten, die nur darauf warten, dass man sie mit Menschen aus der Ukraine füllt.

Was es jedoch gibt, sind Wohnungen und Häuser, welche schlecht genutzt werden. Gerade in Friedrichstadt, welches sich auch dank der Anstrengungen der Bürgermeisterin mehr und mehr zu einem Zweitwohnsitz vermögender Hamburger entwickelt, bleiben viele Betten die meiste Zeit des Jahres kalt.

Zwangswirtschaft oder solidarisches Abwehrbollwerk gegen die Autokratie?

Nach dem zweiten Weltkrieg wurde der Mangel an Unterkünften durch das sogenannte Wohnraumbewirtschaftungsgesetz gemindert. Die örtlichen Wohnungsämter erhielten dadurch die Befugnis, darüber zu befinden, ob eine Unterkunft angemessen genutzt wurde. Und das tat man denn auch.

Ich weiß nicht, wie Sie das sehen, aber ich möchte nicht, dass es soweit kommt. Nicht allein wegen der damit verbundenen staatlichen Gängelei, sondern weil ich nicht will, dass diese Barbaren ihren Kampf gegen die zivilisatorischen Errungenschaften der letzten hundert Jahre erfolgreich zu Ende bringen können. Deshalb appelliere ich an alle, welche die Möglichkeit haben, Wohnraum zur Verfügung zu stellen: Tun Sie es! Setzen Sie damit ein Zeichen der Solidarität und leisten Sie so einen Beitrag für den Erhalt einer liberalen, demokratischen Zivilgesellschaft. Wir lassen uns nicht von Despoten auseinanderdividieren.

Solidarität ist kein Ponyhof

Ich will nicht verhehlen, dass dies nicht ohne Einbußen gehen wird. Sei es, weil die Einnahmen gemindert werden. Sei es, weil ein Stück persönlicher Komfort und Bewegungsfreiheit verloren geht. Auch in der Nachkriegszeit soll der anfänglichen Begeisterung, helfen zu können, irgendwann ein gewisses Maß an Ernüchterung gefolgt sein (beschrieben etwa im 63. Mitteilungsblatt der Friedrichstädter Gesellschaft für Stadtgeschichte).

Die Alternative, ein Leben im engen Korsett einer autoritären Gesellschaft, dürfte jedoch deutlich einschneidendere Konsequenzen haben. Gerade für diejenigen, welche unserer liberalen Demokratie und der damit verbundenen Rechtsstaatlichkeit besonders viel zu verdanken haben.

Wir werden auf jeden Fall mit gutem Beispiel vorangehen und bei Bedarf entsprechende Angebote machen. Dazu werden wir etwas unser Haus Am Markt 22 so umgestalten, dass eine Familie dort bequem unterkommen kann, ohne dass dafür die Leiter zum Dachboden zum Einsatz kommen müsste. Und wir werden uns auch privat darauf vorbereiten, dass wir bis zu vier Menschen dort aufnehmen können.

Jetzt sind Sie an der Reihe: Welche Möglichkeiten haben Sie?

Informieren Sie sich hier:

https://www.schleswig-holstein.de/DE/Landesregierung/Themen/InneresSicherheit/Ukraine/hilfsangebote/hilfsangebote_node.html

Melden Sie Ihren verfügbaren Raum beim zuständigen Amt Nordsee-Treene

Frau S. Petersen

Tel.: 04841 992-313

s.petersen@amt-nordsee-treene.de