Geschäftsmodell Tourismus (4. Teil)
Der Tagestourismus in Friedrichstadt bringt zuwenig Ertrag
Berlin ist in Sachen Tagestourismus das Maß der Dinge. Nicht nur in Bezug auf die Anzahl der Tagestouristen (132 Millionen), sondern viel wichtiger, auch hinsichtlich des Ertrages. Mit über 32 Euro pro Tag und Besucher liegt die Hauptstadt zwar hinter dem Marktführer in diesem Bereich (Hamburg: 38,3 € p. Gast und Tag) zurück, steht dabei aber trotzdem auf dem Treppchen. Von solchen Zahlen kann man zwischen Eider und Treene nur träumen. Und das, obwohl der
Tagestourismus in Friedrichstadt pro Einwohner ein Vielfaches an Gästen zu verbuchen hat. Was läuft hier falsch?
Es liegt an der Grundaufstellung.
Als Tourist fährt man nach Berlin. Friedrichstadt? Da fährt man hindurch. Ich würde es als Drive-Thru-Tourismus bezeichnen.
Denn die Verweildauer ist unterdurchschnittlich. Man muss kein Tourismusexperte sein, um zu verstehen, was das bedeutet: Es gibt einen klaren Zusammenhang zwischen Verweildauer und Konsumausgaben. Vermutlich ist es eine direktproportionale Funktion (also eine Rechnung, die mit einem Dreisatz zu lösen ist).
Wenn Sie das verstanden haben, wissen Sie auch, weshalb Berlin überdurchschnittlich viel und Friedrichstadt unterdurchschnittlich wenig am Tagestourismus verdient.
Ursache und Wirkung
Dabei ist die Misere weitgehend selbst gemacht. Im Kern gibt es dafür zwei Auslöser:
1. Busreisen
Wer auf Reisegesellschaften setzt, die sich in organisierten Carreisen von einem Höhepunkt zum nächsten bewegen, kann nicht erwarten, dass die Einnahmen reichlich sprudeln. Wirtschaftlich betrachtet bilden Busreisen das unterste Segment des Tourismus. Zumindest in Deutschland:
- Busreisende verfügen über eine unterdurchschnittliche Kaufkraft. Wer eine hohe Kaufkraft besitzt, hat entweder eine Ferienwohnung oder ist sich nicht gewohnt, Arm an Arm mit unbekannten Mitreisenden zu reisen.
- Das wissen auch die Busreiseunternehmen und bieten die Reisen darum für relativ wenig Geld an. Bei Busreisen ist deshalb alles knallhart kalkuliert. Dabei spielen sie ihre sprichwörtliche Beweglichkeit aus, um Ihre Dienstleister im Preis zu drücken.
- Individualität ist bei Busfahren nicht großgeschrieben – deshalb ist der Marschplan eng, die Verpflegungsorte ebenso gesetzt wie das Menu. Ungeplante Sonderausgaben sind nicht vorgesehen.
- Den Reisenden ist es eher weniger wichtig, wohin sie fahren. Es geht nicht darum, endlich Friedrichstadt zu sehen und mehr darüber zu erfahren. Friedrichstadt ist vielmehr ein Zeitvertreib. Eine nette Erfahrung.
- Auf Busfahrten schlendert man nicht und lässt sich auch nicht treiben. Man bewegt sich in Gruppen, hat wenig Zeit und Muße das lokale Angebot auszuchecken und Spontankäufe zu tätigen
Wenn also Busreisende einen hohen Anteil an Besucher ausmachen, so führt das genau so wenig zu hohem Wohlstand in der Stadt, wie Großveranstaltungen, die von auswärtigen Dienstleistern getragen werden.
Wünschenswert wären darum Gäste, für die Friedrichstadt nicht einfach ein Punkt auf der Tagesplanung, sondern das Ziel ist. Gäste aus Kaufkraftklassen, welche ein wertiges Angebot zu schätzen wissen. Und es auch bezahlen.
Wobei: Worin besteht dieses Angebot in Friedrichstadt?
2. das fehlende Angebot
Wir sollten nicht um den heißen Brei reden. Selbst wenn alle 400.000 Besucher einer gehobenen Kaufkraftklasse angehören würden: Sie fänden in der Stadt nicht das gewünschte Angebot, um ihr Geld unter die Leute zu bringen.
Der Donut-Effekt: Außen fett und innen hohl
Die Mehrzahl der Geschäfte in zentraler Lage leben noch in den 70er Jahren. Sie tun so, als würden die Menschen noch in kleine Innenstädte kommen, um einzukaufen. Dem ist aber nicht mehr so, seit die Frequenzträger ihre Shopping-Tempel auf die grüne Wiese gestellt haben. Das verbleibende Angebot ist weder Fisch noch Vogel. Weder zieht es die einheimische Bevölkerung an, noch bietet sie den Touristen die gewünschten Angebote. Kurz: es ist langweilig!
Wer die Stadt besucht, ist deshalb in der Regel nach einer halben Stunde durch. Und in vielen Fällen weg.
Der Tagestourismus in Friedrichstadt hat kein funktionierendes Geschäftsmodell
Das Problem ist, dass sich die „Verantwortlichen“ etwas vormachen. Man orientiert sich einzig und alleine an der Idee, dass Friedrichstadt touristisch attraktiv sei. Darum geht es aber nicht, wenn man mit Tourismus Geld verdienen will! Es geht im Fremdenverkehr nicht um Bildung, Kultur oder Völkerverständigung. Es geht darum ein erfolgreiches Geschäft zu führen. Und wenn man das will, sollte man ein solches Projekt auch geschäftsmäßig angehen. Genau dieser Ansatz fehlt in Friedrichstadt aber gänzlich. Es wäre darum an der Zeit, das Projekt vom Kopf wieder auf die Füße zu stellen.
Es ist sinnlos Friedrichstadt in der Welt zu verkaufen. Wir sind nicht Berlin. Niemand kommt wegen „Friedrichstadt“ in den echten Norden. Friedrichstadt ist – als Reisedomizil gesehen – Beigemüse. Das Rahmenprogramm für erfolgreichere Standorte wie Husum, Sankt Peter Ording oder Tönning.
Wir können die Vermarktung der Stadt also anderen überlassen.
Wirtschaft ist Privatsache – denn Private können rechnen
Tagestourismus in Friedrichstadt ist kein Geschäftsmodell. Es ist eine Plattform, auf welcher verschiedene Geschäftsmodelle erfolgreich funktionieren könnten. Wenn sie denn von aktiven Unternehmer/innen genutzt würde. Aber genau daran mangelt es – von wenigen löblichen Ausnahmen einmal abgesehen – ganz arg. Diese Angebote zu erstellen ist PRIVATSACHE. Es braucht keine staatlichen, halbstaatlichen oder öffentlichen Einrichtungen, welche uns sagen, was es braucht. Notwendig wären die Ideen der einzelnen Bürger/innen, Unternehmer/innen, Investor/innen. Es braucht Kaufleute, welche in der Lage sind die Bedürfnisse ihrer Kunden zu erkennen und sie zu befriedigen. Darin herrscht im Holländerstädtchen ein offensichtlicher Mangel!
Dies ist der wahre Grund, weshalb Friedrichstadt im Vergleich zu ihren nordfriesischen Brüdern und Schwestern so abfällt. Die Probleme sind hausgemacht und sie lassen sich weder damit lösen, dass wir das Marketing verbessern oder mehr Geld in die Werbung stecken.
Denn der Tagestourismus in Friedrichstadt wird nie nach den Regeln des blinden Huhnes funktionieren. Zumindest nicht im wirtschaftlichen Sinne. Es mag zwar stimmen, dass man mit mehr Tagesgästen auch mehr Geld in die Stadt bringt. Allerdings wird dieser Umsatz gekauft. Dazu gibt es in der freien Wildbahn eine einfache Regel: Firmen, welche mehr Geld für Werbung ausgeben, als sie an Ertrag (nicht Umsatz) damit erwirtschaften, verschwinden eher über kurz, als über lang. Das macht auch dann keinen Sinn, wenn man dafür das Geld anderer Leute ausgibt.
Wobei das vermutlich das eigentliche Geschäftsmodell von Friedrichstadt ist. Zeit damit aufzuhören, um richtige Geschäfte zu machen.
Lesen Sie in der nächsten Folge:
- Weshalb man sich dem Tagestourismus in Friedrichstadt von einer ganz anderen Seite nähern sollte,
- warum das klassische Tourismusbüro eigentlich keinen Sinn macht
- und was zu tun wäre, um der Stadt ein größeres Stück vom Tourismuskuchen zu sichern