Als Wissenschaftlerin habe ich mich intensiv mit Wachstumsfragen beschäftigt und vor allem mit der Frage, wie wir planvoll unsere Wirtschaft und Gesellschaft so umbauen können, dass wir ohne Wachstum auskommen und ggf. sogar „schrumpfen“. In meinem Buch „Wachstumswahn“ (Ax/Hinterberger das 2014 erschienen ist) kann man das Meiste davon nachlesen.
Wenn es also nach Corona anders kommen sollte – und wir uns in einem lang anhaltenden „Schrumpfungszenario“ wiederfinden – gibt es viele Möglichkeiten, die neue Realität so zu managen, dass es nicht zu menschlichen Katastrophen kommt. Das ist die gute Nachricht.
Die schlechte Nachricht: Die Politik ist im Moment auf die Notwendigkeit unsere Wirtschaft in eine „Stady-State“-Economy zu transformieren leider nicht vorbereitet. Auch hier zeigt sich, was Risikoforscher Prof. Renn (Heute Direktor des IASS) schon lange predigt: Wir selber als Privatpersonen und die Politik überschätzen oft relativ harmlose Risiken und ignorieren gleichzeitig, die wirklich großen Risiken (Klimawandel, Artenschwund, Zustand der Meere, Bodenerosion, Finanzkrisen und Pandemien). Auf die private Gesundheit bezogen sind die größten Risiken Rauchen, Alkohol, Bewegungsmangel, falsche Ernährung (und nicht CORONA).
Aus wissenschaftlicher Sicht war das Risiko einer Pandemie schon seit langem sehr wahrscheinlich. Gott sei Dank ist es nur der Corona-Virus und nicht etwas wirklich dramatisches. Und das Beste an Corona scheint mir zu sein, dass wir den Ernstfall geprobt haben. Wir sind jetzt besser vorbereitet.
War die Politik vorbereitet? Nein.
Finanzkrise: Die Chance einer neuen Finanzkrise ist angesichts der Folgen des billigen Geldes größer denn je. Ist die Politik darauf wirklich vorbereitet und hat genügend gegengesteuert? Nein. Können wir privat uns vorbereiten. Teilweise?
Der Klimawandel und der Verlust an Arten, Bodenerosion etc. Wurde hier wirklich entschlossen gehandelt (wo doch die Folgen weit schlimmer sind, als Corona)? Nein.
Haben wir Wissenschaftler auf diese systemischen Risiken ununterbrochen hingewiesen. Jahr um Jahr. Seit Jahrzehnten? JAAA! Haben wir. Und dass wir jetzt trotzdem den Mund halten und brav auch dann mit unsere Maske einkaufen gehen sollen, wenn es seit Wochen keinen neuen Corona-Neuinfektion in Nordfriesland gibt WEIL wir der Politik vertrauen? Das ist von mündigen BürgerInnen, die dies alles im Kopf haben, wirklich viel verlangt. Denn ganz offentsichtlich sind die Kompetenzen – wie die Gesamtlage zeigt – falsch verteilt. Die Kompetenz liegt oft weit mehr bei uns, als „da oben“.
Doch zurück zu Deiner Frage:
Was wenn es (wirtschaftlich) nicht mehr wird wie vorher?
Was wenn wir in einer langjährigen wirtschaftlichen Depression landen?
Angesichts der Folgen unseres Wirtschaftens und jeder Art von Wachstums befinden wir uns in einem Pest oder Cholera“-Dilemma. Diese Aussage gilt übrigens nur so lange, wie es uns nicht gelingt, unser BIP zu „dematerialisieren“. Will sagen: Von unserem viel zu hohen Ressourcenverbrauch (C02- und Methan-Emissionen, Rohstoffe, Landschaftsverbrauch, Meeresverschmutzung und Naturzerstörung) zu entkoppeln.
Bisher wurde in der Regel alles zugunsten unser Generation entschieden und zu ungunsten nachfolgender Generationen. Wie beschämend!
Das Schrumpfungsszenario
Wenn wir geplant schrumpfen würden oder nicht mehr wachsen, was geschieht dann und muss es uns dann wirklich schlecht gehen? Ich behaupte Nein. Denn entscheidend ist, was schrumpft und was in Zukunft noch wachsen darf.
Null-Wachstum – das missverstehen die meisten Menschen – bedeutet übrigens nur, dass wir genau so viel konsumieren und investieren wie im letzten Jahr. Und das ist – im globalen Vergleich – ein extrem hohes materieller Lebensstandard. Bitte aber nicht verwechseln mit echtem Wohlstand und Glück.
Was soll wachsen?
Wohlstand und Glück und Zufriedenheit und natürlich die Wälder und der Anteil an Humus in allen Böden. Der Anteil aller Produkte die „fürs Leben gemacht sind“, also dem Leben dienen – auch unserer eigenen Lebendigkeit (www.christineax.de)
Was muss schrumpfen: Der Verbrauch an Energie und Ressourcen, die Natur, Klima, Grundwasser und Boden zerstörende Landwirtschaft und hier vor allem der Fleischkonsum. Die Produktion von Einweg- und Wegwerfprodukten (vor allem in den Bereichen Elektronik, Textilien, Schuhe Möbel und vieles andere mehr).
Wie kann die Politik auf eine schrumpfende Ökonomie reagieren?
Dafür gibt es eine Reihe von volkswirtschaftlich durchgerechneten Szenarien: Wir können die Arbeit so umverteilen (Arbeitsstunden), dass das sinkende Arbeitsvolumen so fair verteilt wird, dass alle ein faires Einkommen haben und Teil der Tätigkeitsgesellschaft bleiben. Denn Ausgrenzung darf nicht sein.
Wir können teilen und tauschen und Selbermachen. In Friedrichstadt gibt es jetzt eine Tauschhütte. Das ist super! (Am Betriebshof). Das kostet kein Geld und wir müssen nicht so viel verdienen. Wir müssen vor allem das Gesundheits- und das Rentensystem umbauen. Es bedeutet, das wir länger arbeiten. Das muss kein Problem sein, weil wir – wenn wir alle nur noch halbtags arbeiten – gesünder leben und länger gesund bleiben.
Wir können Arbeit steuerlich entlasten und mit einer C02-Steuer und einer Steuer auf knappe Ressourcen umsteuern und die Kreislaufwirtschaft – die viele Vorteile hat, ökologische und beschäftigungspolitische – vorantreiben. Dazu gehört auch: Langlebige und reparaturfreundliche Produkte (Ökodesign), reparieren statt wegwerfen, Teilen und Tauschen.
Was viele Menschen nicht verstehen: Eine Volkswirtschaft beruht auf einem GELDKREISLAUF. Damit eine Volkswirtschaft funktioniert und stabil ist – muss das Geld nur kreisen und das gilt unabhängig vom NIVEAU. Ein Herunterschrauben unserer Wirtschaft au ein niedrigeres Niveau (das keineswegs weniger Wohlstand bedeuten muss) ist möglich, ohne dass Menschen darunter leiden müssen. Das geht, wenn wir Arbeit und Einkommen in einem gewissen Umfang umverteilen.
Wer weiß schon, dass es vollkommen reichen würde wieder so zu leben wie in den 70er Jahren (bezogen auf den Ressourcenverbrauch) um das Ziel Nachhaltigkeit zu erreichen. Wäre das so eine Katastrophe?
Gute Keramik und andere schöne und wirklich nachhaltige Dinge, hätten in einer solchen Wirtschaft mehr Platz denn je.
Ich konnte jetzt hier nur eine kurzen Exkurs bringen. Aber vielleicht macht es ja doch auch Mut. Ja: Es gäbe weit schlimmeres als ein schrumpfendes BIP. Aber wir könnten darüber nachdenken, wir wir es jetzt bereits vordenken und managen.
Was das für Friedrichstadt bedeutet, und was wir hier vor Ort tun können, damit es uns in einem Post-Wachstums-Szenario gut geht, ist ein Thema, das ich sehr gerne in unserem neuen Bürgertreff in der Prinzenstrasse 33 mit vielen Menschen diskutieren würde. Vielleicht fällt uns dazu ja viel ein…