Kommunalwahl 2023 (Teil III)

Ausgeben macht seliger als einnehmen

Am 14. Mai 2023 finden in Schleswig-Holstein Kommunalwahlen statt. Wie bereits angekündigt, werden wir auf 1621.sh die Wahl begleiten und Ihnen dazu Analysen und Kommentare liefern. Beginnen wollen wir mit einer Stilkritik, welche uns erst einmal zweitausend Jahre zurückführt, um dort viel über den aktuellen Zustand der Lokalpolitik in Friedrichstadt zu erfahren.

Wirtschaftspolitik in Friedrichstadt Ausgeben Einnehmen

In der letzten Folge habe ich dargelegt, dass es nur wenige Gründe gibt, weshalb sich eine kleine Stadt unter Einsatz von Geld wirtschaftspolitisch betätigen sollte:

  • Arbeitsplätze
  • Mehreinnahmen
  • soziale Strukturpflege

Den ersten Punkt haben wir bereits erledigt. Nun soll es in diesem Beitrag darum gehen, ob 5 Jahre konservative Wirtschaftspolitik steigende Steuereinnahmen erwarten lassen.

Mehr Geld in die Stadtkasse?

Viele Menschen haben Probleme damit, zwischen Umsatz und Gewinn zu unterscheiden. Solange sie sich nicht selbstständig machen, hat das keine Folgen. Außer sie gehen in die Politik. Dort sorgen diese Leute nämlich mit erstaunlicher Regelmäßigkeit für verheerende Finanzdesaster zu Lasten der Steuerzahler. Gerade in Friedrichstadt muss man das niemandem erklären: Die Lage der Stadtfinanzen ist ja nicht ohne Grund desaströs.

Eine Steigerung der Erträge aus der Gewerbesteuer könnte ein Weg sein, um das klaffende Loch in der Stadtkasse zumindest ein wenig zu schließen. Was wiederum den Aufwand rechtfertigen würde, mit dem sich die Bürgermeisterin und ihre Gefolgschaft im Bereich Wirtschaft – was in Friedrichstadt gemäß offizieller Lesart gleichbedeutend mit „Tourismus“ ist – engagiert.

Anders als an anderen Standorten ist es in Friedrichstadt nicht möglich, die Gewerbesteuern zu steigern, indem man Betriebe von außerhalb gewinnen kann. Dagegen sprechen zum einen die Randlage und zum andern die fehlenden Freiflächen. Deshalb kann das Wachstum nur von innen kommen.

Wenn das lokale Gewerbe jedoch mehr Steuern abliefern soll, braucht es nicht mehr Umsatz, sondern mehr Gewinn. Und zwar deutlich mehr.

Was genau hat die wirtschaftsfreundliche Mehrheit der Stadtverordnetenversammlung unter der Führung von Frau Bürgermeister in den vergangenen Jahren getan, um dieses Ziel zu erreichen? Wir wollen es ergründen und dabei gleichzeitig aufzeigen, was man genau hätte tun müssen, um die Ertragslage zu verbessern.

Schritt 1: Das Aldi Prinzip – freie Kapazitäten nutzen

Am größten sind die Ertragssteigerungen, wenn die bestehende Infrastruktur besser ausgelastet werden kann, weil dann die Fixkosten (z.B. die Miete) bereits gedeckt sind und nur noch variable Kosten (z.B. Materialaufwand) anfallen.


Der wirtschaftliche Erfolg von Aldi beruht nicht zuletzt darauf, dass es freie Kapazitäten von anderen Unternehmen nutzt, um unbelastet von Fixkosten billiger zu produzieren. Das Friedrichstädter Gewerbe könnte diese Gewinne selbst einstreichen, wenn es gelänge, diese freien Kapazitäten selber zu nutzen


Eine weitsichtige und intelligente Wirtschaftspolitik hätte deshalb dafür gesorgt, bzw. sich zumindest darum bemüht, dass Argumente geschaffen worden wären, um mehr Gäste in der Vor- & Nachsaison nach Friedrichstadt zu locken. Also in den Monaten März, April und Oktober, wenn die Kapazitäten noch weit davon entfernt sind ausgelastet zu sein.

Das wirtschaftliche Verständnis von Bürgermeisterin & Co.

Das Gegenteil war der Fall: Unter der Federführung der noch amtierenden Bürgermeisterin und ihrer Gefolgschaft wurde Geld in die Hand genommen, um Projekte voranzutreiben, welche – wenn überhaupt – während der Hauptsaison zum Tragen kommen (à la Treenebad z.B.).

Investitionen in die touristische Infrastruktur, welche nur nett aussehen, aber keinen Ertrag erwirtschaften, ist einfach nur dumm. Das mag für norddeutsche Ohren möglicherweise krass klingen, aber man muss es so deutlich sagen. Denn in Friedrichstadt sind die Mittel knapp. Ganz egal, woher das Geld für sinnfreie Investitionen stammt: Es fehlt am Ende für jene Projekte, welche wirklich etwas gebracht hätten.

Solche wurden während der letzten fünf Jahre von Seiten des Rathauses allerdings nicht einmal angedacht…


Einen Großteil der Ressourcen des Tourismusverein Friedrichstadt und Umgebung e.V. wird in die Organisation von Anlässen investiert:

  • Rosenträume
    (24. und 25. Juni 2023)
  • Friedrichstädter Festtage
    (28. bis 30. Juli 2023)
  • Herbstzauber und KERAMIK-TAGE (16. und 17. September 2023)

Schritt 2: Aufstieg in eine höhere Liga

Eine kompetente Standortpolitik würde aber nicht allein auf die Auslastung freier Kapazitäten setzen, sondern versuchen, die Wertigkeit des Produktes zu verbessern, um so einen höheren Pro-Kopf-Umsatz zu ermöglichen.

Es gibt verschiedene Gründe, diesen Weg zu gehen:

  • Mehr Umsatz pro Gast bedeutet, dass die Erträge steigen. Bei besseren Erträgen profitieren alle: die Unternehmen, die Angestellten, und über die Gewerbesteuer auch die Stadt.
  • Je geringer die durchschnittliche Kaufkraft, desto anfälliger ist die Nachfrage für wirtschaftliche Schwankungen.
  • Man könnte die Zahl jener Besucher senken, welche zwar viel Verkehr, aber wenig bis keinen Umsatz bringen. Davon würden alle Bewohner der Stadt im gleichen Maße profitieren.
  • Das sogenannte Verkehrsproblem der Stadt müsste nicht mit zusätzlichen Parkplätzen bekämpft werden (was allerdings so oder so nichts bringt…).

Das Problem dabei: Um sich zu verbessern, müsste man wissen, wo genau man steht. Dazu müsste man entweder in der Lage sein, sich kritisch zu hinterfragen oder zumindest die zahlreichen Analysen, welche für viel Geld von Instituten und Experten verfasst wurden, auch tatsächlich zu lesen.

Also auch jene Teile, in denen es nicht nur um raumgestalterische Investitionen geht. Auch wenn dies der Bereich ist, in dem man der Bürgermeisterin mit Sicherheit keinen Mangel an Erfahrung nachsagen kann.

Wirtschaftspolitik an der Oberfläche

Nein, das Problem des Tourismusstandortes Friedrichstadt ist nicht die Fassade, sondern die Tatsache, dass die Besucher in der Mehrheit keinen Grund sehen, wiederzukommen. Das passt zum einen nicht ins Weltbild vieler Lokalpatrioten. Und zum anderen zeigt es, dass in dieser Stadt jeder nur für sich schaut und sich keinen Deut um die Bedürfnisse der Zielgruppe kümmert.

Solange es sich dabei um Unternehmerinnen und Unternehmer handelt, ist das deren eigenes Problem, welches durch geringeren Wohlstand bestraft wird. Das ist in diesem Beitrag aber nicht das Thema.

Die allermeisten Besucher und Gäste der Stadt kommen wohl nach Friedrichstadt, weil sie gehört haben, dass hier die Kulisse stimmt. Aber ihr eigentliches Interesse hat weder etwas mit Geschichte noch mit Architektur zu tun. Die Menschen wollen Unterhaltung (Essen, Trinken, Shopping, Bewegung, Begegnungen und gerne auch ein paar Fotosujets oben drauf). Vor allem aber wollen sie etwas Abwechslung vom Gewohnten.

Gäbe es in der Region eine Art  Disneyland, die Stadt würde wohl auf einen Schlag mindestens die Hälfte der Besucher verlieren. Und aus wirtschaftlicher Sicht wäre es nicht schade um sie.

Die natürliche Grenze kommunaler Wirtschaftspolitik

Diese Assets, welche die Stadt in eine höhere Liga führen würden, liegen außerhalb des Einflussgebietes von Stadt und Tourismusverein. Es ist die Domäne des lokalen Gewerbes und der Tourismusbetriebe. Sie alleine bestimmen, welchen Wert das Angebot für die Zielgruppe hat.

Inhaltlich mag das zwar stimmen, doch so ganz richtig ist es am Ende dann doch nicht. Die Bürgermeisterin hätte es sehr wohl in der Hand gehabt, einen Beitrag in dieser Richtung zu leisten. Nicht durch eigene „Werke“, sondern indem sie das Gespräch mit den wirklich Verantwortlichen gesucht hätte. Wenn sie versucht hätte, mit der magischen Kraft motivierender Worte zu arbeiten.

Der Vorteil dieser Strategie wäre gewesen, dass sie weitgehend ohne den Einsatz von Steuermitteln funktioniert hätte. Es hätte ausgereicht, in einen möglichst intensiven Dialog mit dem lokalen Gewerbe zu treten: Keine Mailings, keine Facebook- oder Instagram-Posts, sondern direkte Gespräche. Nicht einmal, nicht zweimal, sondern fortwährend.

Geldspritze vs. Motivationsspitze

So funktioniert Coaching. Nicht nur im Sport, sondern in allen Bereichen des Lebens. Und wenn man es gut macht, zu erstaunlichen Ergebnissen führt. Hört man zumindest von anderen Kommunen…

Wie auch immer. Es ist der Weg, wie man als Stadt oder als Wirtschaftsförderer (was der Tourismusverein im Kern eigentlich ist) einen Standort entwickelt. Denn selbst in reichen Städten geht nichts ohne die Direktbeteiligten. Aber noch wichtiger: Die Möglichkeiten einer Stadt vervielfältigen sich, wenn man es schafft, die Gemeinschaft ins Boot zu holen.

Wirtschaftspolitik Ausgeben Einnehmen Bürgermeisterin Friedrichstadt

Ist es ein Zufall, eine Botschaft, dass sich die Bürgermeisterin auf der offiziellen Homepage der Stadt allein im Boot präsentiert?

 

Allein: Wenn die vergangenen fünf Jahre etwas gezeigt haben, dann, dass die abtretende Bürgermeisterin kein gesteigertes Bedürfnis hat, zur Verwirklichung ihrer Vorstellungen andere Menschen mit ins Boot zu holen. Sie ist eine Frau, welche peinlich genau darauf achtet, alle Fäden in der Hand zu halten. Sich als Mastermind versteht und auch so handelt.

Entsprechend war ihre Amtszeit geprägt von einsamen Entscheidungen und vollendeten Tatsachen. Und von erstaunlichem Mangel an Erfolg.

Auch der zweite städtische Akteur auf dem Feld der Standortpflege, der Tourismusverein Friedrichstadt und Umgebung e.V., ist nicht dafür bekannt, sich darum zu bemühen, das Gewerbe für sich zu gewinnen. Nicht wenige sind sogar der Meinung, die Touristen-Info kümmere sich überhaupt nicht um ihre Bedürfnisse.

Was glauben Sie, welches Standing die Touri-Info bei den allermeisten Betrieben hat?

Frage: Wie lange könnte ein wirtschaftlich orientierter Dienstleister am Markt überleben, wenn er bei seiner Zielgruppe auf Ablehnung stößt?

Nun, der Tourismusverein ist kein marktwirtschaftlich arbeitendes Unternehmen. Und die Bürgermeisterin – als Vertreterin der für ihre Wirtschaftskompetenz bekannten CDU – hat während ihrer Amtszeit auch kein Interesse gezeigt, dies zu ändern. Entsprechend wenig hat die Wirtschaftsabteilung der Stadt am Ende einer fünfjährigen Amtszeit vorzuweisen, wenn man sie einer objektiven Kosten-Nutzen-Analyse unterzieht.

 

Kommentar:

Wirtschaftspolitisch wurden die vergangenen 5 Jahre von den Bemühungen der Mehrheitsführerin in der Stadtverordnetenversammlung geprägt, über alle Köpfe hinweg groß zu denken. Um ihr Ziel, den Tourismusstandort Friedrichstadt nach ihren Vorstellungen zu „entwickeln“, war sie bereit Geld auszugeben, dass die Stadt nicht hat, um Dinge zu erreichen, welche der Stadtkasse nichts bringen.

Die Bürgermeisterin blieb bis zum Schluss den Beweis schuldig, dass auch nur eine ihrer Ideen einen Zweck erfüllte, welcher den Einsatz städtischer Mittel (egal in welcher Höhe) gerechtfertigt hätte.

Irgendjemand wird trotzdem profitiert haben. Wie das eben so ist, in solchen Fällen.

Kommunalwahl 2023

Schließt den Laden von Fleischer Nehlsen!

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2018-2023: Fünf Jahre Kommunalpolitik in Friedrichstadt: Welche Ziele hat die aktuelle Führungsmannschaft im Friedrichstädter Rathaus in Bezug auf die Standortentwicklung verfolgt? Etwa Arbeitsplätze schaffen? Und wenn ja, für wen? Im ersten Teil des Beitrags zum Thema Wirtschaft widmen wir uns exakt dieser Frage.

Alles eine Frage von Stil?

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Was ist davon zu halten, wenn sich die politische Führung einer Stadt mit einer selbst verfassten Jubelschrift auf sich selber verabschiedet? Nun, zumindest kann man viel daraus ablesen. Nicht aus der Broschüre an sich, sondern aus der Tatsache, dass man sich überhaupt genötigt sah, sich selbst über den grünen Klee hinaus zu loben.

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